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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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hätten die Leute ihren Spaß, sie sichere ihm, dem Scharfrichter, sein Einkommen, und schließlich bestünde ja auch noch die Möglichkeit auf ein Wunder, und alle würden gleich in Frieden und Eintracht zusammenleben. Wäre da nicht sein Knochengeschäft, käme William mir vor wie ein Schmetterling, der in der Sonne herumflattert, sich hie und da auf einer duftenden Blume niederlässt und alle Welt durch sein Erscheinen beglückt. Sturm, Hagel und anderes Unglück gäbe es nicht – und wenn, dann wäre es auch bald wieder vorüber.
    »Selbstverständlich ist Wilhelm zu Köln ein Menschenfreund«, fauchte ich. »Vor allem Fremden, die in seine Stadt kommen, um zu stehlen und zu betrügen, ist er wohlgesinnt. Wahrscheinlich wird er uns sogar reich belohnen und in den Adelsstand erheben.«
    William schüttelte den Kopf. »Dazu ist er nicht befugt. Titel kann nur ein König oder Kaiser verleihen.«
    Ich schnappte ungläubig nach Luft, doch bevor ein weiterer wütender Wortschwall aus mir herausbrach, knirschte ein Schlüssel im Schloss, ein Riegel schabte über Holz, die Kerkertür wurde aufgestoßen und ein abgerissenes Etwas taumelte herein. Unter anderen Umständen hätte ich die Gestalt bemitleidet – klein, dürr, stinkend, in Lumpen gekleidet, barfuß, Gesicht, Bart- und Kopfhaar vor Dreck strotzend. Zahnlos grinsend sah er sich um, nickte, als käme ihm dieser Ort nur allzu bekannt vor, und begann nun, in dieser mir unverständlichen Sprache zu brabbeln. William verbeugte sich, als handle es sich um ein Treffen von Königen, und sprach ebenfalls auf Deutsch. Daraufhin sprudelte plötzlich zwar seltsam klingendes, jedoch nahezu fehlerfreies Latein aus der jämmerlichen Gestalt. Beinahe war es zum Lachen, als er sich wortgewandt als Hans von und zu Sankt Aposteln vorstellte, im selben Atemzug über den Wink des Schicksals frohlockte, der ihn gerade in diese Zelle zu uns, den noblen Herrschaften, geführt habe, und William und mir abwechselnd mit solcher Heftigkeit die Hände schüttelte, dass es mich beinahe umriss.
    »Hans von und zu Sankt Aposteln. Ein wohlklingender Titel«, lobte William und betrachtete seine Hand, die er gerade aus dem erstaunlichen Griff des Schmächtigen befreit hatte, dem man solche Kraft niemals zugetraut hätte.
    »Sankt Aposteln. Das ist mein Revier.«
    »Du bist Bettler?«
    »Rex mendici«
, berichtigte Hans und warf sich mit großer Geste, was in seinem Fall lächerlich wirkte, in die Brust. »Ich bin der König der Bettler.«
    Ich betrachtete die armselige Gestalt und spottete: »So sieht also in Köln ein König aus. Wir haben in der Stadt viele Bettler gesehen. Wenn man die alle verhaftet, wird es heute noch voll hier.«
    Spott schien er gewohnt. Sein freundliches Lächeln war wie der Blick in ein schwarzes Loch. »Die Wachen greifen einen natürlich nur, wenn man an verbotenen Orten um Almosen bettelt. Mich haben sie hier am Domplatz erwischt.«
    »Sagtest du nicht, dein Revier ist Sankt Aposteln?«
    »Da war schon alles abgefischt. Außerdem ist besonders der südliche Domplatz für Geschäfte meiner Art ideal.«
    Noch einer, der sein armseliges Nichtstun als
Geschäfte
bezeichnet, dachte ich, während Hans fortfuhr:
    »All die reichen Damen und Herren spazieren da herum, einschließlich der ganzen Pfaffen und anderen Betbrüder von Köln. Man muss nichts weiter tun, als sie an ihre Sünden erinnern, schon sitzen Kupfer und Silber locker.« Kopfschüttelnd kicherte er. »Sie glauben tatsächlich, sie können sich freikaufen, indem sie sich wohltätig meinem Gewerbe gegenüber zeigen. Mir soll es recht sein, ihre Sünden ermöglichen mir ein schönes Einkommen.«
    Wieder ließ ich meinen Blick über die armselige Gestalt schweifen. Schönes Einkommen – so sah also jemand aus, der ein schönes Einkommen hatte. »Du nimmst dein Schicksal hier im Kerker reichlich gelassen, plagt dich denn nicht die Angst vor schlimmen Strafen?«
    Hans von und zu Aposteln wehrte grinsend ab. »Bettelei bringt einen nicht an den Galgen. Morgen schaffen sie mich auf den Frankenturm. Dort kriege ich eiserne Hörner aufgesetzt und Schellen angelegt. In diesem Aufzug muss ich die Straßen kehren, das ist alles. Dazu gibt es sogar noch etwas zu essen. Manch einer von uns lässt sich nur für dieses Mahl an einem verbotenen Platz erwischen.«
    »Kannst du uns auch erklären, was Erzbischof Wilhelm zu Köln mit uns machen wird?«
    Hans taxierte mein Klostergewand und nickte. »Für Vergehen von

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