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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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sowie die Vogteibezirke Eigelstein und Hacht. Das liegt in den Händen von einem Dutzend noblen Bürgern Kölns, sie sind Richter und Schöffen. Es gibt aber auch ein Bürgermeistergericht, das ist auf dem Kornmarkt, vor dem Haus zum Regenbogen oder im Fleischhaus. Da werden aber nur kleinere Schuldsachen und Marktvergehen verhandelt. Weiterhin gibt es ein Tuchhallengericht, ein Gastgericht und ein Gewaltgericht. Früher gab es sogar noch ein Universitätsgericht …«
    »Halt, halt!«, unterbrach William den von Käse- und Brotstücken sowie wild ausladenden Bewegungen begleiteten Redeschwall des Bettlers. »Gastgericht? Wofür ist das zuständig?«
    »Für Gäste natürlich.«
    »Also für uns.«
    Hans wackelte mit dem Kopf und rieb sein Kinn. »Das ist nicht so einfach zu sagen. Gäste seid ihr in Köln in der Tat. Der Diebstahl einer Reliquie und eines Nonnengewands aber ist schon schwieriger einzuteilen. Die Diebstahlsgegenstände sind gewiss geistlicher Natur, Diebstahl an sich wird jedoch nicht hier im Dompalast verhandelt, wo genau, hängt davon ab, wo ihr das Vergehen begangen habt.«
    »Heißt das – wo ich die Reliquie gekauft habe – oder wo die Wäsche auf der Leine hing?«
    Hans wand sich nun sichtbar. Williams Frage schien im juristischen Sinne äußerst schwierig. »Guter Gott, auch noch zwei verschiedene Verbrechensorte! Klerikales Diebesgut …«
    »Es war ein rechtmäßiger Kauf …!«
    »Gewiss … das Verbrechen – oder besser
die
Verbrechen – begangen durch Fremde, das heißt Gäste – einmal im Garten des Franziskanerinnenkonvents, das andere Mal …« Hans stockte, »… wo war der Diebstahl der Reliquie?«
    »Kauf! Ich wiederhole – es war ein Kauf!«
    »Ja, ja. Wo?«
    William blickte sich hilflos um. »Das weiß ich doch nicht. Irgendwo. Auf einem Hinterhof.«
    Hans seufzte und stopfte das letzte Stück Käse in seinen Mund. »Ihr seht, die Frage der Gerichtszuständigkeit ist gar nicht leicht zu klären.«
    »Warum ist sie so wichtig?«, wollte ich wissen.
    »Warum ist sie wichtig?« Hans’ Augen traten beinahe aus den Höhlen. »Wichtig? Es ist die alles entscheidende Frage! Wer ist der Richter? Wilhelm zu Köln zum Beispiel wäre ein Glücksfall. Er ist alt, seines Amtes müde und vielleicht auch wegen seiner Faulheit milde. Mag sein, allein aus diesem Grund stellt er euch nur an den Pranger. Anders sieht es schon aus, wenn sein Offizial das Urteil fällt. Der ist noch jung und träumt von höheren Weihen. Ein solcher Ehrgeiz lässt schon mal gern Köpfe rollen. Oder die bürgerlichen Schöffen – die sind unberechenbar und launisch. Angenommen, zwei Schöffen wollen am Abend vor der Verhandlung ihre Gemahlinnen an ihre Ehepflichten erinnern.« Hans’ Finger der Rechten formten einen Kreis, der Zeigefinger der Linken stieß hindurch. »Dabei versagt dem einen die Männlichkeit, der andere darf nicht. Ein dritter Schöffe leidet unter den Folgen eines vortäglichen Rausches. Es ist doch klar, dass ein Urteil dann anders ausfällt, als wären die ersten beiden befriedigt und der andere bei klarem Verstand. Zwei Diebe erleiden ein vollkommen unterschiedliches Schicksal! Der eine landet am Galgen, dem anderen drückt man einen Besen in die Hand, damit er die Gassen kehrt. Beide haben jedoch das gleiche Verbrechen begangen.«
    Meine Fantasie malte die schrecklichsten Bilder. Mit zittriger Stimme fragte ich: »Was, meinst du, wird unser Urteil sein?«
    »Das steht in den Sternen. Ich persönlich glaube …«
    William unterbrach ihn. »Es wird sich schon alles zum Guten wenden …«
    »Nun ja …«
    »Und überhaupt – willst du uns nicht verraten, woher du all dieses Wissen hast? Dein Latein könnte in jeder Schreibstube bestehen, du bist der Rechtsprechung kundig wie kaum ein anderer – und all das – verzeih – als Bettler?«
    »Ist schon gut.« Hans schien einen langen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Dann verkündete er: »Ich war nicht immer
rex mendici

    »Was dann?«
    »Es ist eine lange Geschichte.«
    William lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir haben Zeit. Erzähl uns. Wie wird man zum König der Bettler?«

28
    Hans von und zu Aposteln erklärt, warum die Erde eine Kugel ist und wann sie untergehen wird
    I ch weiß, was euch retten kann. Aber es ist gefährlich.«
    Hans saß jetzt ganz im Dunkeln, und wir hörten nur seine genuschelten Worte. Auch der zweifelnde Blick, den ich William zuwarf, blieb wegen des scheidenden Lichts

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