Die Knochentänzerin
Geistlichen ist in der Tat Wilhelm zu Köln zuständig. Was habt ihr verbrochen?«
William schaltete sich ein: »Nichts Ernsthaftes. Cailun trägt dieses Nonnenkleid, das aber einer anderen Ordensschwester gehörte, und ich hatte das Pech, eine Reliquie zu erwerben, die leider gestohlen war. Ich wollte sie dem Bischof schenken.«
»Von wem hast du sie gekauft?«
»Sie nannten sich Otto von Mauritius und Heinrich zu Gereon.«
Daraufhin prustete Hans lachend los und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Erst nach einem ausgiebigen Hustenanfall war er wieder in der Lage zu sprechen, wenn auch immer noch unterbrochen durch Husten und Lachen. »Otto von … Mauritius … und … Heinrich zu … haha … Gereon. O Gott, ich kann nicht mehr.«
»Was ist daran so lustig?«
Hans wischte sich die Tränen aus den Augen. »Sankt Mauritius und Sankt Gereon sind Kölner Kirchen.«
So langsam schien es William zu dämmern. »Das heißt, die Namen sind falsch.«
»Aber ja doch. Natürlich. Otto und Heinrich stimmen zwar, aber adelig sind die beiden ganz gewiss nicht – höchstens als Räuber und Diebe verdienen die beiden das Von und Zu. Du bist auf zwei stadtbekannte Gauner hereingefallen.« Immer noch kicherte Hans, der König der Bettler. »Wenngleich – so falsch ist es auch wieder nicht. Ottos Gebiet ist die Gegend um Sankt Mauritius, und Heinrich beansprucht für sich Sankt Gereon. Wehe, man kommt den beiden da in die Quere. Das kann böse enden.«
William brummelte irgendetwas Unverständliches, und ich verkniff mir die Bemerkung, ich hätte den beiden selbstgeadelten Beutelschneidern ihr Metier gleich angesehen.
Währenddessen wühlte Hans in den unergründlichen Tiefen seiner verdreckten, löchrigen Jacke, aus der er ein schimmeliges Stück Käse und einen Laib Brot hervorzauberte. Dann verkündete er: »Freunde, lasst uns etwas essen.«
Mir schien, als schlösse man sehr schnell Freundschaft in dieser Stadt, selbst im Kerker. Ich wehrte dankend ab, als Hans mir einen abgerissenen Käsebrocken hinhielt, und schüttelte ebenfalls beim Brot dankend den Kopf. William hingegen langte kräftig zu.
»Ich muss noch einmal nachhaken«, begann Hans schmatzend, und ich fragte mich, wie er den harten Käse ohne Zähne im Mund zerkleinerte. Kaute er mit dem Gaumen? Während er mit der Linken immer mehr Käse und Brot in sich hineinstopfte, begleitete die Rechte seine Rede: »Du …« Hand und Finger wedelten vor William herum. »… hast versucht, dem Erzbischof eine gestohlene Reliquie anzudrehen, und du …« Nun fuchtelte es vor meiner Nase. »… du hast ihn mit einer geklauten Franziskanerkutte dabei begleitet …«
»
Er
hat die Nonnentracht gestohlen …«, warf ich entrüstet ein.
»… und die Reliquie hast du …« Hans’ Zeigefinger malte in Williams Richtung einen Kreis. »… von Otto und Heinrich gekauft.«
»Ich wusste nicht, dass sie gestohlen ist. Ich dachte, es ist ein ehrliches Geschäft.«
»Wie dem auch sei, die Frage ist einzig und allein, habt ihr ein weltliches oder ein geistliches Verbrechen begangen.«
Ich tauschte mit William einen fragenden Blick. »Ist das von irgendwelcher Bedeutung?«
»Selbstverständlich. Es ist die alles entscheidende Frage, denn sie bestimmt die Zusammenstellung des Gerichts. Und glaubt mir, welches Gericht wofür zuständig ist, ist eine Wissenschaft für sich. Gotteslästerung zum Beispiel fällt unter die Gerichtsbarkeit des Erzbischofs, dieses Gericht wird Offizialat genannt. Es ist für alle Verfehlungen des Klerus zuständig, ebenso wie für Meineid, Ehestreitigkeiten und Testamentsbelange. Neben Wilhelm zu Köln ist noch ein Offizial Richter, der hat das Recht sogar studiert. Verhandlungen finden bei schönem Wetter auf dem Domplatz statt, bei Regen hier im Saal des erzbischöflichen Palasts.«
»Ein wahrer Kenner der Jurisdiktion bist du.«
Hans zeigte sein zahnloses Grinsen und wies auf seine Gliedmaßen. »Das ist der Grund, warum ich noch alle Körperteile habe – einschließlich meines Lebens. Ich bin auf mein Expertentum sozusagen angewiesen. Und das geistliche Gericht ist noch lange nicht alles. Früher war der Burggraf Richter, aber das ist jetzt nicht mehr so. Fangen wir mit den richtig schweren Verbrechen an.« Hans’ Hände malten Mord und Totschlag in die Luft, und er verdrehte die Augen. »Hierfür gibt es das Hohe Gericht, zuständig für die Römer- und Rheinstadt, die Gemeinden Sankt Severin und Sankt Pantaleon, den Bezirk Sankt Gereon
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