Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
gesehen?«
»Vor vielen Jahren. In Wien«, antwortete Franziska schließlich wahrheitsgemäß, und kurz erschien der zwanzigjährige Ludwig vor ihrem geistigen Auge.
»Das scheint wenig glaubwürdig«, sagte Bero schließlich und fing sich einen ärgerlichen Blick des Vogts ein. »Ihr habt eine Tochter. Etwa sechs Jahre alt, nicht wahr?«
»Fünf geworden«, sagte Franziska.
»Wie dem auch sei. Montardier war mit einer französischen Grafentochter verehelicht, wusstet Ihr das?«
»Gewiss. Sein Bruder und seine Schwester sind mit meiner Familie befreundet.«
»Die Ehe mit der Gräfin wurde aber nie vollzogen und musste deshalb von einem Kirchengericht höchster Qualifikation aufgelöst werden. Findet Ihr das nicht sonderbar?« Franziska zuckte mit den Schultern.
»Eure Tochter hingegen ist Montardier wie aus dem Gesicht geschnitten. Obendrein sieht sie aus wie Maria von Montardier als Kind.« Franziska schwieg weiterhin.
»Ich war beauftragt, die Montardierkinder aus dem Inferno in Akkon nach Zypern in Sicherheit zu bringen«, erklärte Bero dem Vogt kurz sein Wissen.
»Ich denke, wir beide sind uns darüber im Klaren, wessen Tochter Euer Kind ist. Und aus diesem Grund beschuldige ich Euch, eine vom König gestiftete Ehe gebrochen, den Gemahl der Gattin entfremdet und mit ihm eine geheime Verbindung unterhalten zu haben!«
»Wie könnt Ihr …«, setzte Franziska an, ihm eine entsprechende Antwort entgegenzuschleudern, doch gelang es ihr, ihr Temperament im letzten Moment zu zügeln.
»Meine Tochter ist ehelich und das Kind Walrams, meines verstorbenen Gemahls, eines anerkannten Zunftmeisters und ehrenwerten Bürgers Nürnbergs«, sagte sie stattdessen, bemüht um einen möglichst ruhigen Ton, obwohl sie das Zittern und Beben ihrer Stimme kaum unterdrücken konnte.
Mit einem Ruck richtete Bero sich auf und zeigte anklagend mit dem Finger auf sie. »Ihr lügt! Ich beschuldige Euchweiter, Eurem Buhlen Montardier, der Euch durch seine Beziehungen zu König Albrecht die Tore zum Hof geöffnet hat, zur Flucht verholfen zu haben.«
Franziska sah den Vogt an. Der Mann wirkte äußerlich ruhig, schien es jedoch nicht gutzuheißen, dass Restwangen einem Ankläger gleich und statt seiner die Schneiderin verhörte und beschuldigte. Schließlich teilte er Franziska mit, dass sie nur auf seine Fragen zu antworten verpflichtet sei. Herr von Restwangen diene der Anklage lediglich als wertvoller Zeuge. Bero atmete hörbar ein und aus.
Franziska bat um einen Stuhl, der ihr umgehend gebracht wurde. Sie wusste, es war das Klügste, zu schweigen und bestenfalls Antworten zu geben, die zu ihren Gunsten und nicht widerlegbar waren. Bestimmt würde Meynhard bald eintreffen, und der würde mit den beiden Kerlen schon fertig werden, war sie sich gewiss.
Doch bevor der Graf erschien, trat einer der Büttel ein und legte ein zusammengerolltes Pergament vor Bero auf den Tisch. Bero griff danach, las mit hochgezogenen Brauen und spielte den Erstaunten. Er wackelte kaum sichtbar mit dem Kopf und gebärdete sich, als würde der Inhalt des Schreibens seine kühnsten Ahnungen übertreffen.
Der Vogt versuchte, einen Blick in das Schriftstück zu erhaschen, doch Bero hob es wie zufällig so, dass er nur die Rückseite zu sehen bekam. Franziska war blass geworden, als sie das gebrochene Siegel und die gleichmäßige Handschrift erkannte. Schließlich flüsterte Bero dem Beamten etwas ins Ohr. Der Mann rief nach einer Wache und befahl ihr, die Schneiderin nach draußen zu führen und dort mit ihr zu warten.
»Sie hat ein Schreiben von dem Gesuchten erhalten. Einen Liebesbrief«, höhnte Bero. »Zwar ist der Mann geschickt und schreibt nur über die Vergangenheit, doch der Ehebruch müsste sich nachweisen lassen, und das Kind hat wohl wirklich er gezeugt.«
»Gebt mir das Schreiben, Restwangen.«
Bero reichte ihm den Brief und der Vogt studierte ihn aufmerksam. »Nur auf dieses Schreiben hin kann ich sie nicht festsetzen. Die Zunft würde umgehend protestieren, einen einflussreichen Advokaten bestellen und flugs müssten wir sie wieder freilassen.«
»Aber was sie tut, ist Hochverrat!«
»Das ist möglich, doch wird ein Brief, in dem ein ehemaliger Geliebter aus seiner Notlage heraus versucht, die Buhlin zurückzugewinnen, nicht genügen, diese Anschuldigung aufrechtzuerhalten. Aus dem Brief geht doch viel eher hervor, dass sie über den Aufenthalt Montardiers und die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit nichts wusste. Um ein
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