Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
kommen.
»Aber der König persönlich hat die Reichsacht …«
»Aber er hat nicht persönlich die Verhaftung einer angesehenen Bürgerin verfügt, nicht wahr?«
»Gewiss nicht, doch Hochverrat … Die Anschuldigung ist schwer, müsst Ihr wissen …«
»Was soll Frau Franziska denn verbrochen haben, wenn gleich Hochverrat vermutet wird?«
»Sie hat heute einen Brief erhalten, von dem Gesuchten, Ludwig von Montardier.«
»Einen Brief erhalten? Sieh einmal an, wie interessant! Und woher wusstet Ihr davon? Woher von dem Inhalt des Schreibens und seiner Echtheit? Ihr habt wohl Unterschleif begangen, und wir müssen uns wohl noch über das Delikt des Siegelbruchs unterhalten?«
Der Vogt errötete tief. Er merkte, dass er einen Fehler begangen hatte. Er war zu voreilig gewesen, hatte diesem Restwangen zu schnell vertraut. Nun würde er Schwierigkeiten mit dem Rat und der Zunft bekommen, wenn er nicht zügig Handfestes vorzulegen hatte.
»In dem Brief beteuert der Mann, wie nahe er ihr steht und wie sehr er es bedauert, von ihr getrennt worden zusein. Und er äußert den Wunsch, wieder mit ihr vereint zu sein. Dies rechtfertigte mein eiliges Handeln, schließlich ist Montardier der Mörder eines rechtmäßig gewählten und von Gottes Gnaden eingesetzten Königs. Zähmt Eure Wut also, gräfliche Hoheit. Außer einer Befragung ist der Frau nichts widerfahren.«
Meynhard drehte sich zu Franziska um.
»Trifft das zu?«
»Ja«, sagte sie. »Aber nicht der Herr Vogt hat mich befragt, sondern Bero von Restwangen hat Beschuldigungen gegen mich vorgetragen.«
»Oh? Ist Euch die Bürde des Amtes schon so schwer geworden, dass Ihr Hilfe aus Böhmen benötigt, um eine Schneiderin zu vernehmen?«, herrschte Meynhard den Beamten an.
»Mäßigt Euch doch, Graf«, sagte der Mann und gab sich Mühe, gefasst zu klingen. »Es ist unerheblich, wer ihr Fragen gestellt hat. Der Verdacht besteht, und wenn er sich bewahrheitet, gilt sie selbst als geächtet, sie wird verhaftet und ihr Vermögen wird konfisziert. Ich schicke noch heute einen Mann, der ihr Hab und Gut inventarisiert, wie es meine Pflicht ist. Nichts aus ihrem Besitz darf veräußert oder verbraucht werden. Ihr könnt Frau Franziska nach Hause geleiten, ich bin für den Augenblick mit ihr fertig.«
Meynhard warf ihm noch einen bösen Blick zu, bevor er kehrtmachte, zu Franziska ging und ihr seinen Arm anbot. Ohne Gruß verließen sie die Amtsstube. Der Vogt wischte sich die schweißnasse Stirn und fluchte lautlos über den anmaßenden Grafen und über den böhmischen Wichtigtuer. Natürlich war die Verlockung groß gewesen, maßgeblich zur Aufdeckung eines Schwerverbrechens beizutragen, doch nun sah er die unweigerlich auf ihn zukommende Kontroverse mit der Zunft und dem Rat mit Besorgnis. Schweren Herzens schickte er schließlich nach einem Schreiber, der in Begleitung eines Bewaffneten zunächst die Schneiderei und anschließend diesen Geldverleiher aufsuchen sollte, bei dem die halbe Stadt ihr Vermögen angelegt hatte.
*
»Was soll das heißen, sie hat nichts? Sie muss reich sein, unermesslich reich, bei den Preisen, die sie verlangt, und bei der Menge an Gewändern, die sie fertigt!« Bero war wütend, doch der Vogt und sein Schreiber zuckten nur mit den Schultern.
»Los, sagt schon, wo ist ihr Vermögen?«
»Wie gesagt, außer Dingen für den täglichen Gebrauch verfügt die Frau über keinerlei Güter. Ihr Sohn, Trudbert Schneyder, wie er genannt wird, ist der neue Meister des Betriebs. Ein noch junger Mann, aber von untadeligem Leumund, wie ich betonen möchte. Die Schneiderei, die dazugehörenden Gebäude und Liegenschaften sind sein Eigentum. Ebenso das Warenlager, der Pferdebestand und die sonstigen Hilfsmittel. Zwei Zunftmeister waren gestern zugegen, bestätigten dies und legten entsprechende Urkunden vor, die erst vor kurzer Zeit ausgefertigt und beglaubigt wurden.«
»Und was sagt der Geldverleiher?«
»Auf ihr gesamtes Barvermögen, außer einer geringen Summe für ihre alltäglichen Ausgaben, wurden Anweisungen ausgefertigt und Wechsel gezogen, die bereits eingelöst wurden. Großteils von venezianischen Banken, wie uns glaubhaft gemacht wurde.«
»Dann hat sie mit diesem Geld Montardier zur Flucht verholfen. Verhaftet sie!«
»Das ist höchst unwahrscheinlich. Montardier war nicht unter den Bezugsberechtigten, sondern neben Prinz Chalil ausschließlich ausländische Geschäftsleute und Banken. Sie unterhielt schon seit langem
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