Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
ihn.
Vorsichtig und geschickt löste er das einfache Siegel mit der schmalen Klinge seines Dolchs. Montardier hatte das ganze Pergament vollgeschrieben. Es war wahrhaft rührend,vom Liebesschmerz des Burschen, seinem großen Ehrgefühl und seiner Ritterlichkeit zu erfahren. Wie unglücklich er gewesen war, als er dem König gehorchen und nach Frankreich gehen musste, wie und warum seine Ehe annulliert wurde, wie man ihn ungerechtfertigt dieses schrecklichen Mordes bezichtigte und wie er sich wieder rehabilitieren wolle.
Erst an Bord des Schiffes habe er von ihrer damaligen Schwangerschaft und von seiner Tochter erfahren, und es breche ihm schier das Herz, all die Jahre nicht bei Franziska und seinem Kind gewesen zu sein. Schwülstig bat er sie um Verzeihung und gelobte hoch und heilig, dass er alles zum Guten wenden werde. Sogar seinen neuen Aufenthaltsort teilte er der Angebeteten mit!
Bero werkte mit Feuerstein und Zunder, bis er die Kerze auf seinem Tisch entzündet hatte. Vorsichtig schmolz er die Rückseite des Siegels an und befestigte es sorgfältig wieder auf dem zusammengerollten Pergamentbogen. Bald würde ein Bote ihn der Schneiderin überbringen, doch zuvor war noch etwas zu erledigen.
Erstaunt nahm Franziska das Schreiben entgegen. Sie erkannte sofort das Siegel der Montardiers, das Ludwig ihr schon in Budweis voller Stolz gezeigt hatte und das einen Ring an seinem Finger zierte. Sie gab Anweisung, nicht gestört zu werden, zog sich in ihre Wohnung zurück und öffnete den Brief, doch kaum hatte sie die Zeilen überflogen, klopfte es lautstark an ihre Pforte. »Geduld, ich komme sofort«, rief sie, doch das Pochen hörte nicht auf. »Einen Augenblick noch«, rief sie abermals und sah sich nach einem Platz um, an dem sie das Schreiben verstecken konnte. Eineeinzige Truhe stand in der Stube, die ansonsten nur zum Speisen oder für Unterhaltungen bei einem Krug Wein genutzt wurde. Kurzerhand hob sie den Deckel des Möbelstücks und legte das Pergament unter eine schwere Tischdecke, bevor sie den Besuchern öffnete. Verwundert sah sie den Gehilfen des Vogts und die beiden Büttel an.
»Tretet ein. Wie kann ich Euch weiterhelfen?«
»Helfen? Nun, das ist großzügig von Euch. Der Vogt verlangt nach Euch. Kommt sofort mit uns.«
»Ich verstehe nicht ganz. Was möchte der Vogt denn?«
»Das erfahrt Ihr, wenn Ihr bei ihm seid. Gegen Euch liegt eine Anschuldigung vor.«
Franziska sah von einem zum anderen. Den Männern war die Angelegenheit sichtlich peinlich, doch waren sie gezwungen, ihre Pflicht zu erfüllen. Wenigstens führt man mich nicht in Ketten ab, dachte sie, als sie zwischen den Männern durch den Hof schritt.
»Hol sofort Graf Meynhard«, rief sie dem Rossknecht Giso zu, der sich den Bütteln schon mit bedrohlichem Blick näherte. Der Mann zögerte kurz, dann nickte er finster, machte kehrt und lief auf den Stall zu.
Bero verzog sein entstelltes Gesicht zu einem hässlichen Lächeln. Er saß zur Seite des Vogts und streckte zufrieden seine Glieder.
»Ihr seid die Schneiderwitwe Franziska?«, fragte der Vogt.
»Ihr kennt mich«, antwortete Franziska. »Und Herr von Restwangen ebenfalls. Was ist der Grund für meine Vorladung?«
»Ihr wisst, was eine Reichsacht ist?«
»Nicht genau«, antwortete sie zögernd.
»Dann will ich Euch aufklären. Wird die Reichsacht über einen Menschen verhängt, so ist es bei höchster Strafdrohung verboten, diesem Hilfe zu leisten. Wer dies tut, verliert seine Rechte, einschließlich seines Vermögens, und gegen ihn kann ebenfalls die Acht verhängt werden.«
Franziska sah dem Vogt geradewegs ins Gesicht.
»Ihr schweigt?«
»Ich wüsste nicht, was ich mit derartigen Vorwürfen zu schaffen haben soll.«
»Euer Jugendfreund, Ludwig von Montardier, ist geächtet. Er hat sich in schamloser und arglistiger Weise das Vertrauen des rechtmäßigen und gesalbten Königs von Böhmen erschlichen und ihn anschließend während seines Gebets heimtückisch erschlagen. Eine Gräueltat, wie sie schlimmer nicht begangen werden kann.«
Franziska senkte den Blick. Sie wollte nicht, dass Bero ihr Gesicht sah. Nicht, nachdem sie den Brief Ludwigs gelesen hatte.
»Er ist noch immer flüchtig. Ihr steht unter dem Verdacht, seine Flucht ermöglicht und finanziert zu haben.«
Franziska schwieg weiter.
»Herr von Restwangen«, sprach der Vogt nach einem Räuspern weiter, »hat weitere Beschuldigungen gegen Euch vorzubringen. Sagt, wann habt Ihr Montardier zuletzt
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