Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Urteil gegen sie zu erwirken, müsst Ihr schon mit mehr aufwarten. Wir reden hier nicht von einem gewöhnlichen Verbrechen, das abzuurteilen ich befugt wäre. Hochverrat ist eines der schwersten Delikte überhaupt und wird nur vor königlichen Gerichten verhandelt, an denen die bedeutendsten doctores iuris des Reiches die Gelegenheit zum Auftritt nutzen und sich hitzige und lange Dispute liefern, da jeder gegenüber dem anderen obsiegen will, wenn Ihr versteht. Doch ein Verdacht auf dieses Verbrechen besteht immerhin, so weit gebe ich Euch Recht. Bringt mir schlüssigere Beweise, und ich tue, was ich kann. Mehr kann ich nicht versprechen.«
»Könnt Ihr ihr Zwänge auferlegen, um sie an einer Flucht zu hindern?«
»Nun, es gibt Möglichkeiten. Von jetzt an und für die Dauer des Verfahrens könnte man ihr die Verfügungen über ihr Vermögen verwehren, das läge durchaus in meiner Macht. Kommt morgen um diese Zeit wieder, bis dahin ist das in die Wege geleitet.«
Bero gab sich nicht gänzlich zufrieden und murrte noch ein wenig, doch insgeheim war er sicher, einen ersten Sieg errungen zu haben. Er müsste nur ein wenig abwarten und den Dingen ihren Lauf lassen. Außerdem hatte er ja noch einen weiteren Trumpf in der Hand.
Franziska saß still auf dem Schemel, den die Wache ihr zugewiesen hatte, und gab sich Mühe, keinerlei Regung zu zeigen, während ihr Gehirn fieberhaft arbeitete. Sie hatte den Brief Ludwigs, den ersten seit über fünf Jahren, doch erst vor kaum mehr als einer Stunde erhalten, wie konnten die Männer des Vogts so schnell darüber Bescheid gewusst haben? Und wieso hatte der Soldat der Stadtwache das Schreiben Bero in die Hand gedrückt, statt es seinem Herrn zu geben? Irgendetwas war faul an der Sache, sie musste auf der Hut sein und Acht geben.
Nachdem sie eine Weile gewartet hatte, öffnete sich die Tür, Bero hinkte durch den Vorraum, bedachte sie nur mit einem höhnischen Grinsen und verließ das Haus des Vogts. Sie gab ihm nicht die Genugtuung, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
Als sie weitere Minuten gewartet hatte, hörte sie endlich eine vertraute Stimme, die lauthals und befehlsgewohnt Einlass in das Haus des Vogts begehrte. Mit polternden Schritten, puterrotem Gesicht und schweißnassem Haar kam Meynhard in den Raum gestürmt, just als sich die Türzum Sitzungsraum abermals öffnete und der Vogt aus dem Zimmer treten wollte. Meynhard trug eine lederne Reithose und ein ebensolches Wams, dazu derbe Stiefel und von seinem Handgelenk baumelte eine Reitgerte.
»Wie könnt Ihr es wagen«, brüllte er dem Vogt ins Gesicht, »die Meisterin am helllichten Tag wie eine Verbrecherin abholen und zu Euch schleppen zu lassen. Fehlt Euch Lümmel jeglicher Anstand?« Der Vogt zuckte zusammen und wollte etwas erwidern, doch Meynhard dachte nicht daran, den Mann zu Wort kommen zu lassen. »Sämtliche Ratsmitglieder sind mit der Familie der Dame befreundet, und alle lassen bei ihr fertigen. Sie bringt der Stadt nicht nur Ruhm, sondern auch einen gewaltigen Batzen an Steuern ein. Sie beliefert seit Jahren den königlichen Haushalt! Den Königshaushalt, habt Ihr das verstanden, Dummkopf?« Er hielt inne und trat zwei weitere Schritte auf den Mann zu. Zwischen den beiden Gesichtern lag nicht mehr Abstand als eine Elle. Franziska hatte den Eindruck, dass der Graf im nächsten Augenblick die Peitsche erheben und dem Mann ins Gesicht schlagen würde. Nur mühsam schien er sich beherrschen zu können.
»Was wolltet Ihr überhaupt von ihr? Los, sprecht!«
Der Mann räusperte sich. »Nun, es liegt der Verdacht vor …«
»Was für ein Verdacht? Sprecht endlich, Memme!«
»Ritter Bero von Restwangen, der persönliche Beauftragte König Rudolfs von Böhmen, hat den Verdacht geäußert, Frau Franziska hätte einem Mann die Flucht ermöglicht, über den die Reichsacht verhängt wurde. Das ist Hochverrat!«
»Restwangen? Höre ich recht? Bero von Restwangen? Ein unbedeutender Wicht aus der Entourage eines ausländischenHerrn? Er erteilt Euch also jetzt Befehle, und Ihr habt die Stirn, sie auch noch zu befolgen? Ihr scheint vergessen zu haben, was Euer Amt ist und wer Euch eingesetzt hat, guter Mann!«
Der Vogt zuckte zusammen. Meynhard war im Recht. Nürnberg war eine freie Stadt, die von einem Rat bestehend aus Patrizierfamilien regiert wurde. Einzig dem Rat war der Vogt verpflichtet, wurde von ihm gewählt oder auch abberufen. Augenscheinlich schien ihm Letzteres gerade zu Bewusstsein zu
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