Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Tränen. Zorn wallte in ihr auf, Ärger und Wut übermannten sie. Ihr Körper verkrampfte sich und ein bitterer Geschmack stieg in ihr auf. Warum Hermann und Nele? Warum Ludwig? Warum sie?
Schließlich zwang sie sich zur Ruhe. Sie stand auf und suchte nach Tinte und Pergament. Zwar verwendete sie wie die meisten Leute von Stand mittlerweile lieber den seit einiger Zeit in Mode gekommenen fein gepressten Papyrus, doch für diesen Brief wollte sie nicht das Risiko eingehen, dass das kostbare, aber sehr empfindliche Material Nässe, Schimmel oder Feuer zum Opfer fiel. Sie überlegte lange, bevor sie anfing, zu schreiben.
*
Bero kam früher als am Vortag und verlor wenig Zeit. »Ihr gewährt mir doch Einblick in Euer Schreiben, nicht wahr?«, fragte er anstatt eines Grußes.
»Aber Ihr sagtet …«
»Nun, ich muss doch sichergehen, dass mir nicht der Kopf des Boten in einem Korb zurückgeschickt wird, wie das die Heiden gern tun. Gewiss habt Ihr dafür Verständnis.«
Franziska hatte dies erwartet und reichte Bero die beiden Pergamente. Sie hatte bewusst wenig von ihren Gefühlen in den Brief verpackt und das Gedeihen ihrer Tochter auch nur kurz erwähnt. Eindringlich hatte sie ihre Notlage geschildert und die Tatsache, dass man ihren Eltern die Fluchthilfe nachgewiesen hatte, und Ludwigs Erscheinen vor Rudolf daher für ihr Überleben wichtig war. Bero nickte anerkennend.
»Verschließt und siegelt die Briefe. Mein Diener wird sie morgen abholen. Meine beiden Knappen werden sich umgehend damit auf den Weg machen. Einer wird die Gefahren einer winterlichen Seereise auf sich nehmen, falls er einen wagemutigen Kapitän findet, der andere wird das Frühjahr abwarten. Ihr seht, für alles ist gesorgt.«
»Ich sehe es. Wir beide können dann wohl endlich getrennter Wege gehen.«
»Wie könnte ich das verantworten? Ich spüre, wie sehr Ihr Euch um Eure Mutter und den Stiefvater sorgt, und denke, ich werde Euch in dieser schweren Zeit beistehen. Außerdem schuldet Ihr mir noch etwas.« Wie beiläufig strich er mit dem Zeigefinger entlang seiner Narbe. Franziskas Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. Konnte dieses Scheusal es tatsächlich wagen?
»Heute ist Freitag, da wird gefastet. Doch schon morgen,eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit, dürft Ihr mich erwarten. Ihr werdet nicht enttäuscht werden, glaubt mir!« Mit der Andeutung einer Verbeugung und seinem widerlichen Grinsen verließ er den Laden. Erstarrt stand Franziska in ihrem Verkaufsraum und blickte auf die Tür, die sich hinter Bero geschlossen hatte. Sie glaubte wieder die Röcke über ihrem Kopf zu spüren und die starken Arme, mit denen Beros willfähriger Gefährte sie festhielt, nachdem man sie mit einem Faustschlag an die Schläfe niedergestreckt, ihr in den Bauch getreten und sie auf den Rücken geworfen hatte. Alles, alles, nur nicht das, dachte sie. Das werde ich nicht zulassen, schwor sie sich. Nicht einmal berühren soll dieses Ungeheuer mich. Sie könnte Bero ein Messer in den Leib stoßen, wenn er ihr zu nahe kam, überlegte sie. Doch selbst wenn man sie dafür nicht verurteilen würde, Hermann und Nele würde es nichts helfen. Bero wusste dies und versuchte, dieses Wissen gegen sie auszunutzen. Gewalt war somit nicht das richtige Mittel, ihm beizukommen.
*
Elsbeth freute sich über den unerwarteten Besuch der Freundin und hörte aufmerksam zu, während Franziska ihr berichtete. »Du bist sicher, dass er Ludwig nicht tötet, sobald er das Reich betritt?«
»Ziemlich. Er will ihn seinem König vorführen, der wohl auf einen Schauprozess hofft, um die Kritiker seiner Regierungsübernahme ruhigzustellen. Der König scheint Bero gedroht zu haben, deshalb geht der dieses Risiko ein.«
»Also müssen wir ihn dazu bringen, von dir abzulassen, ohne dass er an deinen Eltern Rache nimmt. Du sagtest doch,er wollte dich einst mit Gewalt nehmen, und jetzt will er unter Drohung und Erpressung in dein Bett. Lass mich ein wenig nachdenken.« Elsbeth lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und überlegte. Schließlich grinste sie verschwörerisch, und ein listiges Funkeln leuchtete in ihren Augen.
»Was hältst du davon?«, fragte sie und schilderte Franziska ihren Plan.
Franziskas Augen weiteten sich, und sie starrte die Freundin ungläubig an, während diese ihr das Vorhaben auseinandersetzte. »Du meinst, das funktioniert?«, fragte sie schließlich, und ihrer Stimme war anzuhören, dass sie vom Erfolg des Vorhabens nicht so recht überzeugt
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