Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
in dem er nun untergebracht ist, gewiss nicht umbringen. Doch wollen wir allesamt nicht daran denken, was ihm blüht, wenn er der Gerichtsbarkeit übergeben wird. Erst Mord, dazu die Fluchthilfe für einen Geächteten, eine unschöne Kombination. Welche Strafe, glaubt Ihr, wird man über ihn verhängen? Vierteilung durch seine eigenen Gäule? Zuvor vielleicht noch blenden und ihn das Zischen der Feuerzangen an seinem Fleisch hören lassen? Ich will gar nichts vorwegnehmen, doch auf keinen Fall wird es eine rasche Angelegenheit. Wahrscheinlichwird sein Weib, die Mittäterin, alles mit ansehen müssen, bevor man sich ihr zuwendet. Lasst uns das lieber nicht in allen Einzelheiten vorstellen!« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem bösen Lächeln.
»Woher weiß ich, dass Ihr die Wahrheit sagt?«, fragte Franziska schließlich.
»Oh, das will ich Euch gern beweisen«, sagte Bero und griff in eine Tasche seines Wamses. »Gewiss kennt Ihr diesen Plunder«, fügte er wie beiläufig hinzu, während er Franziska den silbernen Ohrring Hermanns vor die Nase hielt. Die schwarz gewordenen Blutflecken darauf waren unschwer zu erkennen.
»Was wollt Ihr von mir?«, stieß sie hervor.
»Montardier schreibt Euch doch so gern Briefe voller Minne und Herzeleid, wie ich schon feststellen durfte, und ich weiß, dass Ihr selbst nicht nur des Lesens, sondern auch des Schreibens kundig seid. Eine seltene Ausbildung für eine Schneidertochter, möchte ich anfügen. Und wie Ihr seht, eine bisweilen gefährliche! Ihr werdet umgehend einen Brief an Euren Galan verfassen, in dem Ihr um seine sofortige Rückkehr bittet.«
»Das wird unmöglich sein. Er ist weit weg von hier, in einem fernen Land jenseits des Meeres. Der Winter steht vor der Tür, und ein Brief wird ihn so bald nicht erreichen, wenn er nicht überhaupt auf dem weiten Weg verlorengeht.«
»Das wird er gewiss nicht, da zwei meiner Männer sich mit dem Schreiben auf den Weg machen werden. Vielleicht solltet Ihr auch besser zwei Schreiben verfassen, und meine Männer reisen auf getrennten Schiffen, sobald die Winterstürme vorüber sind. Ihr haltet diese Vorsichtsmaßnahmefür übertrieben? Bedenkt Euer Risiko beziehungsweise das Eurer Eltern.«
»Und Ihr? Was habt Ihr mit ihm vor?«
»Ich selbst überhaupt nichts, wieso auch? König Rudolf erwartet ihn. Montardier soll sich für seine Taten rechtfertigen.«
»Ihr wisst so gut wie ich, dass Ludwig …«
Bero hob die Hand, um sie zu unterbrechen. »Was Ihr denkt oder ich, ist ohne Belang. Es geht um den Wunsch des böhmischen Königs sowie seines Vaters, des Reichskönigs. Weist Montardier an, herzukommen. Ich werde ihn an der Reichsgrenze empfangen und zu Rudolf führen.«
»Und meine Eltern?«, fragte Franziska misstrauisch.
»Der Rosshändler soll meinethalben wieder freigelassen werden. Er kümmert mich nicht weiter. Und Eurer Mutter wird ebenfalls nichts geschehen. Solange sie sich von Budweis und Restwangen fernhalten, sollen sie von mir aus hundert Jahre alt werden.«
Franziska mutmaßte, dass er einen triftigen Grund haben musste, Ludwig herbeizuschaffen. Es musste schon mehr dahinterstecken, als sich nur bei seinem König beliebt zu machen, sonst würde er nicht so hohen Aufwand treiben. Ludwig würde sich bestimmt zu helfen wissen, sollte er tatsächlich zurück ins Reich müssen. Mit Bero würde er schon fertig werden, davon war sie überzeugt. Schließlich hatte er den schlauen Chalil und obendrein seinen Vater zur Unterstützung. Bestimmt würde den Männern etwas einfallen und Ludwig nicht in sein Verderben laufen, gab sie sich Mühe zu glauben.
Sie dachte an ihre Mutter, die bestimmt vor Sorge fast umkam, und an den armen Hermann, der zum zweiten Mal denMachenschaften Beros ausgesetzt war und in einem Kerker saß. Sie wusste, dass ihr keine Wahl blieb.
»Wenn Hermann oder meiner Mutter irgendetwas zustößt, werdet Ihr das mit Eurem Leben bezahlen«, sagte sie schließlich und dachte an Meynhard, der nicht zögern würde, ihr zu helfen.
»Deshalb werde ich auch höchstpersönlich auf sie achten. Schreibt die Briefe. Ich komme morgen zur gleichen Stunde wieder, um sie in Empfang zu nehmen. Der Inhalt steht Euch frei, doch sorgt dafür, dass Montardier sich auf den Weg macht.«
Grußlos wie er sie betreten hatte, verließ er die Werkstatt wieder. Franziska ging langsam in ihre Wohnung. Kraftlos sank sie auf einen Stuhl und stützte die Stirn auf beide Hände. Sie wollte weinen, doch kamen keine
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