Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
Vom Netzwerk:
abgeholt. Der Blick des Mannes war voll von Sorge, als er sich von Hermann und seiner Familie verabschiedete.
    *
    Maria hatte den schlimmen Tag gut überstanden. Sie war unverletzt geblieben und überwand langsam den Schrecken. Sie musste sich noch so an die neue Umgebung und das Leben als Bürgerin gewöhnen, es gab so viel Neues zu entdecken und zu lernen. So verblasste das schreckliche Erlebnis immer mehr und kam ihr schließlich nur mehr wie ein unwirklicher böser Traum vor. Nur ihr Bruder Karl fehlte ihr. Stets dachte sie, er würde gleich durch die Tür kommen, in seinen schwarzen Kleidern und der kecken Mütze auf dem Kopf, mit irgendeinem lustigen frechen Spruch auf den Lippen. Doch Karl war weg und sie hatte keine Ahnung, wohin er und Ludwig geflohen waren. Zacharias hatte dem Kloster einen Boten gesandt, der Innozentia mitteilte, dass er auf die Einlösung mehrerer Schuldscheine verzichte, fallsman keine Forderungen wegen Maria stellte. Eine Antwort war ausgeblieben.
    Zwei volle Tage war Franziska nicht aus ihrer Kammer gekommen. Sie hatte auf ihrem Bett gelegen und Tränen über Tränen wegen Ludwig vergossen, von dem sie nicht wusste, ob sie ihn wiedersehen würde. Sie weinte wegen des ekelhaften Beros von Restwangen, durch den sie beinahe ihre Unschuld verloren hätte, und wegen der großen Unsicherheit, die plötzlich über ihr geordnetes Leben gekommen war.
 
    Hermann hatte ihr durch die verschlossene Tür von Beros Versprechen erzählt, doch würde dieses Scheusal sich an seinen Schwur halten und wirklich von ihr und Maria ablassen? Hermann würde gewiss aufpassen, dass keiner dieser Unholde in ihre Nähe kam, doch was, wenn er sie einmal nicht beschützen konnte?
 
    Am Morgen des dritten Tages kam sie blass und mit dunkel umrandeten Augen aus ihrer Kammer und nahm ihren Platz in der Werkstatt ein. Teilnahmslos fingerte sie an dem nächstbesten Kleidungsstück herum. Kurz darauf erschien die Frau des Zimmermannmeisters in der Schneiderei, um für sich und ihren Mann Festtagskleider nach der neuesten Mode zu bestellen. Franziska nahm schweigend Maß an der stattlichen Bürgerin und notierte sich alle Details. Doch die Frau fragte Franziska munter über Mode, Kleider und die verschiedenen Stoffe aus. War Franziska zunächst noch fahrig und abweisend, antwortete sie bald immer ausführlicher, und als wäre die Trübsal mit einem Mal von ihr abgefallen, schilderte sie alle erdenklichen Varianten, die ihr zur Ausführung der Kleider in den Sinn kamen, mit der vonihr gewohnten Liebe und Leidenschaft. Die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück, und ihre Augen leuchteten, als sie von sichtbaren und versteckten Knopfleisten schwärmte, von eleganten Faltenwürfen und raffinierten Unterfütterungen. Die Zimmermannsfrau war keine einfache Kundin, hatte tausend Fragen und verhandelte zäh. Eindringlich beschäftigte Franziska sich mit ihren Einwänden, schilderte die Vorzüge fremdländischer Stoffe, präsentierte verschiedene Schnittmuster und schilderte ihr die Vorteile jedes einzelnen. Nach einer Weile gingen sie daran, die Stoffe auszuwählen. Die Kundin schien außerordentlich gut bei Kasse zu sein, denn sie sah sich nur unter den besten Materialien um, bis sie das Richtige für sich und ihren Gemahl gefunden hatte.
    Nachdem sie die Termine für Anprobe und Lieferung besprochen hatten, verließ die Frau die Werkstatt und Franziska kehrte an den großen Schneidertisch zurück, um sofort das Kleid der neuen Kundin in Angriff zu nehmen. Nele sah ihr eine Weile zu und lächelte.
 
    Das Kleid der Zimmermannsfrau wurde ein Prachtstück, das schönste und aufwändigste Gewand, das Franziska bisher gefertigt hatte. Grünes Leinen am Mieder und seidene Verbrämungen ließen den Wollstoff, aus dem der Rock gemacht war, leichter und sommerlicher erscheinen. Die meisten Festtagskleider waren dick und schwer und für die wärmere Jahreszeit ungeeignet. Dieses Kleid konnte durch zwei unterschiedliche, anknöpfbare Oberteile sommers wie winters getragen werden. Weitere Knöpfe fanden sich an der Rückseite des Rocks, der auf seiner ganzen Länge geöffnet und geschlossen werden konnte, was das Ankleiden erleichterte. Überall, wo nicht Haken oder Schnüre doch vernünftiger waren, prangten die neuen Verschlüsse, teilweise verdeckt, teilweise gut sichtbar um die Außergewöhnlichkeit des Kleidungsstückes zu betonen.
    Der Rock des Zimmermeisters stand dem Kleid der Gattin in nichts nach. Silbern durchwirkter Brokat

Weitere Kostenlose Bücher