Die Knopfmacherin
wurden zu schmalen Schlitzen.
Du hast sie genommen, du elendes Miststück, dachte Melisande und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an.
»Jagt sie davon!«, befahl Katharina den Knechten, dann wandte sie sich um.
Melisande sah auf einmal rot. Ohne lange zu überlegen, schoss sie vor und packte Katharinas Haar. »Du gemeine Diebin, du wirst mir sofort meine Knöpfe wiedergeben, sonst prügele ich dich windelweich!«
Als Katharina aufschrie, waren die Knechte sogleich zur Stelle. Einer von ihnen packte Melisande und riss sie nach hinten. Wieder kreischte Katharina auf und wirbelte herum. In ihren Augen loderte der Hass, doch ihr spöttisches Lächeln sagte Melisande, dass sie sich ihrer Sache sicher war. Sie würde die Knöpfe nicht herausrücken, nicht solange die Knechte sie beschützten.
»Verpasst ihr eine Tracht Prügel«, beschied sie leichthin, dann wandte sie sich um und lief ins Haus zurück.
Während der Mann, der sie festhielt, Melisande herumdrehte, versetzte sie ihm blitzschnell einen Tritt vors Schienbein. Als er aufjaulte und sein Bein umfasste, riss sie sich los und rannte davon. Der andere Knecht setzte ihr nach.
Melisande hastete die Straße hinunter und bog dann in eine Gasse ab. Sie keuchte und bekam kaum Luft.
Was für einen großen Fehler hatte sie da begangen! Hast du wirklich geglaubt, dass Katharina die Knöpfe einfach herausgeben würde?, schimpfte sie mit sich selbst.
Als sich vor Melisande eine Nische zwischen zwei Häusern auftat, schlüpfte sie hinein. Obwohl sie nicht wusste, ob die beiden Knechte noch immer hinter ihr her waren, kauerte sie sich in die Dunkelheit. Ihr Herz pochte heftig, und es fiel ihr schwer, ihren Atem zu beruhigen.
Einige Männer passierten das Versteck, ohne hineinzusehen. Waren das die Knechte? Melisande presste sich so dicht es ging gegen die Steine. Sie sah einen dunklen und einen blonden Haarschopf vorüberziehen, ohne dass die beiden Notiz von ihr nahmen.
Als die Männer verschwunden waren, wischte sich Melisande über die Wangen, an denen ein paar Schweißtropfen hinabperlten. Dabei bemerkte sie die langen blonden Haare an ihren Fingern. Katharinas Haare, die sie ihr ausgerissen hatte, als der Knecht sie von seiner Herrin weggezogen hatte. Ein grimmiges Lächeln huschte über ihr Gesicht, wenngleich sie wusste, dass sie Alina davon nicht freikaufen konnte und Ärger mit Marga bekommen würde. Dieses Haarbüschel wird ihr auf ewig fehlen, sagte sie sich. Vielleicht hätte ich noch ein bisschen fester zupacken sollen.
Der kleine Triumph verschwand allerdings rasch, als sie die Werkstatt erreichte, wo Bernhard sie bereits erwartete. Er wirkte grimmig.
»Wo warst du?«, fragte er und stemmte die Hände in die Hüften.
Melisande errötete und senkte den Kopf.
»Doch nicht etwa wieder im Hurenhaus?«
»Nein, dort nicht«, antwortete sie kleinlaut. »Ich war bei Marga Ringhand.«
Bernhard runzelte die Stirn. »Bei der Schwester des Meisters? Ich denke, wir waren uns einig, dass …«
»Ich bin nicht hingegangen, um ihnen Bescheid zu geben. Ich wollte die Brautknöpfe wiederholen, die Katharina mir gestohlen hat.«
Bernhard stand der Mund offen. Sein Kopf zuckte zunächst vor, dann schüttelte er ihn. »Ich habe dir doch gesagt, dass es viel zu riskant ist. Selbst wenn sie es gewesen wäre …«
»Sie war es!«, versetzte Melisande. »So, wie sie mich angelächelt hat, war sie es ganz bestimmt.«
Bernhard atmete tief durch. Er legte den Kopf in den Nacken und trat kurz auf der Stelle, dann sah er sie unverwandt an. »Du kannst doch nicht einfach zu ihr gehen und sie des Diebstahls bezichtigen!«
»Aber ich bin mir sicher, dass Katharina die Knöpfe genommen hat. Immerhin war sie neulich heimlich auf dem Dachboden. Erklär du mir, wo meine Knöpfe sonst geblieben sind.«
»Vielleicht hat jemand sie entwendet, als wir den Bischofszug beobachtet haben.«
Melisande schüttelte den Kopf und wischte sich hastig über die Augen. »Ich sage dir, dass es Katharina war!«
»Wie hat Marga auf deine Anschuldigung reagiert?«
»Sie war nicht da. Katharina hat ihren Knechten befohlen, mir eine Tracht Prügel zu verpassen, aber ich bin weggerannt.«
Nun konnte sie sich nicht länger zurückhalten. Der aufgestaute Zorn brach förmlich aus ihr heraus. Zitternd sank sie auf die Knie und weinte hemmungslos.
Bernhard betrachtete sie zunächst ratlos, dann hockte er sich zu ihr. »Nicht weinen, Melisande«, sagte er leise und strich ihr beruhigend über
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