Die Knopfmacherin
Keller des Froners aufgebahrt worden, weil der Stadtchirurgus sie noch einmal untersuchen wollte. Melisande hatte die Totenfrauen bezahlt, damit sie ihre Eltern danach ordentlich herrichteten. Vom Fronerhaus sollten sie zum Friedhof getragen werden. Der Pater konnte unmöglich wegen der Aussegnung hier sein.
Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle. Kamen sie etwa wegen der Rebellen?
Als es klopfte, schreckte Melisande zusammen. Was soll ich tun?, überlegte sie. Einfach flüchten, wie es dieser Joß Fritz getan hat?
»Melisande Bruckner, bist du da?«
Die Stimme des Paters klang nicht so schroff, wie sie es erwartet hatte. Trotzdem überkam sie ein ungutes Gefühl. An Flucht war jetzt aber nicht mehr zu denken.
»Ich bin gleich bei Euch!«, entgegnete sie, ordnete Haar und Kleider und trat an die Tür.
Erstaunt stellte sie fest, dass nur einer der Begleiter des Paters ein Mann war. Bei der zweiten Person handelte es sich um eine etwas ältere Frau, die unter ihrem Mantel die Ordenskleidung der Dominikanerinnen trug.
»Sei gegrüßt, mein Kind«, sagte der Pater freundlich, doch Melisande entging nicht, dass sich seine Hand etwas zu fest um die Bibel schloss. Auch sein Blick wirkte unsicher.
In Melisande stieg eine ungute Ahnung auf. »Was führt Euch zu mir, Pater Johannes?«
»Wir möchten mit dir reden. Es ist wegen …« Er pausierte kurz, blickte sich unsicher zu seinen Begleitern um und fuhr dann fort: »Es ist wegen des Unglücks, das über deine Familie gekommen ist.«
Wollen sie herausfinden, ob mein Vater wirklich mit den Aufständischen zu tun hatte? Verdammter Stadtvogt, dachte Melisande grimmig. Er würde besser daran tun, meine Schwester zu suchen.
Doch ihr blieb nichts anderes übrig, als sich anzuhören, was der Pater ihr mitzuteilen hatte. »Kommt herein«, sagte sie und trat beiseite.
Ihr entging nicht, dass sich ihre Besucher gründlich umsahen. So gründlich, als vermuteten sie in den Schatten des Hauses eine geheime Zusammenkunft von Aufständischen. Oder waren etwa auch sie darauf aus, das Blut ihres Vaters zu sehen? Heftiger Widerwille erwachte plötzlich in Melisande. Am liebsten hätte sie ihre Aufforderung wieder rückgängig gemacht. Aber der Pater, die Ordensfrau und der Fremde nahmen bereits am Küchentisch Platz.
»Das hier sind Schwester Klothilde vom Kloster Santa Magdalena und Antonius Marcelus, der Sekretär des Grafen Lichtenfels«, stellte Johannes seine Begleiter nun vor. »Beide haben sehr unterschiedliche Anliegen an dich.«
»Und die wären?«, fragte Melisande, während sie die Tür ins Schloss drückte. Die Höflichkeit hätte es geboten, ihren Gästen etwas anzubieten, aber sie spürte, dass ihr dieser Besuch nichts Gutes bringen würde, und so ließ sie es.
»Vielleicht solltest du dich zu uns setzen«, antwortete die Ordensfrau. Die Schärfe ihrer Stimme hätte vermutlich jedes andere Mädchen eingeschüchtert, aber Melisande ließ sich davon nicht beeindrucken. Dennoch trat sie an den Tisch und nahm Platz. Dabei entging ihr nicht, dass die Dominikanerin sie gründlich musterte.
»Zunächst einmal möchten wir dir unser Bedauern ausdrücken«, setzte der Sekretär des Grafen an. »Wie uns von Pater Johannes zu Ohren gekommen ist, waren deine Eltern rechtschaffene Leute. Umso betrüblicher ist, dass gerade sie den Machenschaften der Rebellen zum Opfer gefallen sind.«
Melisande wollte nicht glauben, was sie da hörte. Vielleicht träumte sie das alles ja nur. »Meine Eltern wussten nicht, wer diese Männer waren. Sie haben nur gesehen, dass einer von ihnen verletzt ist, und haben ihnen, wie es sich für gute Christen gehört, Hilfe gewährt.«
»Hätten sie das denn auch getan, wenn sie gewusst hätten, wer die beiden waren?«, fragte der Sekretär listig.
Das Mädchen erkannte seine Absicht sofort. »Wenn sie gewusst hätten, dass diese Männer Verbrecher sind, hätten sie die beiden zwar aufgenommen, aber sogleich dem Stadtvogt Bescheid gegeben. Ich persönlich hätte ihn geholt. Aber wir hielten sie für Schustergesellen auf Wanderschaft. Und …« Melisande hielt kurz inne. Sollte sie wirklich sagen, was ihr auf der Zunge lag?
»Und?«
»Letztlich sind meine Eltern nicht durch die Hand dieser beiden Männer gestorben. Sie wurden von den Männern getötet, die nach den Aufständischen gesucht haben. Mein Vater hat mir das mit seinem letzten Atemzug berichtet, und ich habe die Reiter mit eigenen Augen gesehen!«
Wieder wechselten die Anwesenden
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