Die Knopfmacherin
das ist es.« Melisande wandte sich nun dem Sekretär zu. »Und wenn Ihr mir wirklich helfen wollt, bestellt Ihr dem Grafen, dass er meine Schwester suchen möge. Das ist mein einziger Wunsch, mit allem anderen werde ich schon fertig werden.«
Die drei Besucher sahen einander an, dann erhoben sie sich.
Pater Johannes wirkte noch immer ungehalten. Kurz flüsterte er der Oberin und dem Sekretär etwas zu, die daraufhin das Haus verließen. Dann wandte er sich an Melisande. »Du machst einen schweren Fehler, mein Kind. Dass der Graf bereit ist, dich zu versorgen, ist eine große Gnade, die du nicht hättest ausschlagen sollen.«
In diesem Augenblick bereute Melisande, dass sie kein Mann war. Ansonsten hätte sie den Pater am Kragen gepackt und aus dem Haus geworfen. Ihr Vater hätte sich das Geschwätz vom Kloster und der Gnade des Grafen sicher nicht so ruhig angehört.
»Ich bin mir der großen Gnade durchaus bewusst«, entgegnete sie so beherrscht wie möglich. »Doch mein Gewissen verbietet mir, in der Schuld des Grafen von Lichtenfels zu stehen. Ich werde mein Einkommen schon selbst sichern, glaubt mir. Und ich werde auch außerhalb von Klostermauern ein gottesfürchtiges Leben führen, denn das hat mir meine Mutter beigebracht.«
Der Pater atmete tief durch. Seine Lippen kräuselten sich, als wollte er noch etwas sagen, dann wandte er sich um und rauschte grußlos durch die Tür.
Joß Fritz versuchte vergeblich, das Knurren seines Magens zu ignorieren. Stöhnend krümmte er sich zusammen und wartete, bis der Krampf vorüber war.
Das Tuch, das er eines Nachts von den Bleichwiesen gestohlen hatte, schützte ihn vor den Blicken der Menschen und machte ihn zu einem gewöhnlichen Bettler, der wie so viele andere an verschiedenen Ecken der Stadt herumlungerte und um Almosen bat. Besonders erfolgreich war er nicht dabei. Die wenigen Pfennige, die er erhielt, reichten nicht mal aus, um sich einen Laib Brot zu kaufen. Bestenfalls konnte er davon einen oder zwei Äpfel erstehen. Diese hätte er genauso gut auch stehlen können, aber er wollte es nicht auf Diebstahl ankommen lassen. Wenn sie ihn wegen irgendeiner Kleinigkeit schnappten, war er verloren.
Er hätte längst fort sein können, doch bisher hatte er keine Gelegenheit gehabt, mit der Knopfmachertochter zu sprechen. Vielmehr hatte er es nicht gewagt, zu ihr zu gehen, weil er fürchtete, dass der Bischof das Haus beobachten ließ. Wer konnte schon sagen, wo sich der Spitzel verbarg?
Allerdings hatte er am Vortag aufgeschnappt, dass heute die Beerdigung der Bruckners stattfinden sollte. Eigentlich war es nicht seine Absicht gewesen, dem Knopfmacher und seiner Frau die letzte Ehre zu erweisen, aber da er sich immer noch innerhalb der Stadtmauern Udenheims aufhielt, wollte er wenigstens das tun.
Ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht. Was Ludwig von Helmstatt wohl dazu sagen würde, wenn er wüsste, dass der Anführer des Aufstands in den Mauern seiner Residenzstadt umherging? Wahrscheinlich würde er dreinblicken, als hätte der Blitz in den Speyerer Dom eingeschlagen. Allerdings wollte er den Teufel nicht an die Wand malen, indem er an den Bischof dachte.
Ein Raunen unter den Leuten zerrte ihn von seinen Gedanken fort. Die Ursache für die plötzliche Unruhe entdeckte er sofort. Ein Trauerzug schob sich durch die schmale Gasse. Ein elend aussehender Gaul zog einen Karren, auf dem zwei hölzerne Särge standen.
Das musste das Knopfmacherpaar sein! Joß Fritz erhob sich und beobachtete, wie sich sämtliche Köpfe nach dem Zug umwandten. Einige Männer zogen die Kappen ab, vereinzelt bekreuzigte sich eine Frau. Allerdings wunderte er sich darüber, dass sich so wenige Leute dem Zug angeschlossen hatten.
»Seht, so geht es denen, die sich mit den Aufrührern verbrüdern«, wisperte eine Frau in seiner Nähe. Sie hatte die ganze Zeit über neben ihm gestanden, ohne die geringste Notiz von ihm zu nehmen.
»Meinst du, dass die beiden das wirklich getan haben?«, fragte jene, die sich gerade noch mit ihr über die Kohlpreise unterhalten hatte.
»Und ob! Jedenfalls hat es der Schreiber des Stadtvogtes meinem Mann erzählt, und der muss es wissen. Immerhin verfasst er sämtliche Schreiben des Stadtvogtes.«
»Das ist noch nichts gegen das, was man sich von der jüngsten Tochter erzählt«, sagte eine dritte Frau, verstummte dann aber kurz, als der Wagen unmittelbar an ihnen vorüberrollte.
Die Knopfmachertochter ging mit leicht gesenktem Haupt an
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