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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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Türrahmen fest, doch sie konnte der Frau nichts entgegensetzen. Als sie stolperte, zog die Fremde sie wieder in die Höhe.
    »Jetzt stell dich nicht so an, du dummes Ding.«
    Die Ohrfeige schleuderte Alinas Kopf zur Seite und brachte sie zum Schweigen. Während Schluchzer ihren Körper erbeben ließen, zerrte die Wirtin sie in die Küche. Dort griff sie nach dem Ochsenziemer, der an der Wand neben der Feuerstelle hing.
    »Jetzt hör mir mal gut zu!«, zischte sie und hielt Alina den Griff der Peitsche unters Kinn. »Du wirst von nun an allen meinen Anweisungen folgen und auch nicht versuchen zu fliehen, ist das klar? Erwische ich dich dabei, wirst du den hier zu spüren bekommen. Und glaube ja nicht, dass du mir davonlaufen kannst. Ich kenne mich besser in der Stadt aus als du, und meine Knechte werden dich überall aufstöbern!«
    Völlig schockiert starrte Alina die Wirtin an. Sogar das Schluchzen verging ihr. Stattdessen krampfte die Angst ihr den Magen zusammen.
    »Da wir das geklärt haben, wirst du dich jetzt umziehen und mit der Arbeit beginnen. Heute wirst du den Schankraum aufräumen und scheuern.« Die Wirtin ging zu einer Truhe, der sie ein verblichenes Gewand entnahm, das sie Alina in die Hand drückte.
    »Hier! Und spute dich!«
    Das Mädchen erzitterte. Ihre Wange brannte wie Zunder. Melisande, dachte sie verzweifelt. Warum bist du nicht hier und hilfst mir?
    Damit die Wirtin sie nicht noch einmal schlug, schlüpfte sie hastig in das Gewand. Es roch nach ranzigem Fett und Zedernholz, das die Wirtin wohl benutzte, um die Motten zu vertreiben.
    Ein zufriedenes Grinsen verzerrte das feiste Gesicht der älteren Frau, als Alina sich umwandte. »So ist es recht. Scheinst ja doch brauchbarer zu sein, als ich dachte. Und nun mach dich an die Arbeit.«
    Damit schritt sie zur Haustür, zog demonstrativ den Schlüssel ab und ließ ihn zwischen ihren dicken Brüsten verschwinden. Dann verließ sie den Schankraum und ging nach oben.
    Alina blickte ihr finster hinterher. Ihre Eltern mochten vielleicht tot sein, doch Melisande war nicht zu Hause gewesen. Irgendetwas sagte ihr, dass ihre Schwester noch lebte. Sie wird mich suchen, sprach sie sich selbst Mut zu. Und wenn sie mich gefunden hat, werde ich dieser alten Vettel heimzahlen, was sie mir antut.

8. Kapitel
    Am Beerdigungsmorgen erwachte Melisande schon früh vom Krähen der Nachbarshähne. Für einen kurzen Moment glaubte sie, Milchgrütze zu riechen, doch als der Schlaf endgültig von ihr abfiel, merkte sie, dass sie sich den Duft nur eingebildet hatte. In der Küche war niemand. Die Luft war kühl.
    Schwerfällig und mit knurrendem Magen erhob sie sich. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie am Abend zuvor nichts gegessen hatte. Sie war zu müde und zu niedergeschlagen gewesen, um sich etwas aus der Speisekammer zu holen.
    Doch jetzt konnte selbst die Trauer den Hunger nicht mehr unterdrücken.
    Nachdem sie sich angekleidet, gewaschen und das Haar gerichtet hatte, holte sie sich einen Kanten Brot und etwas Milch und begab sich damit in die Küche.
    Sie hatte sich gerade am Tisch niedergelassen, als sie das Gurren einer Taube vernahm. Wie gern hätte ich deine Schwingen, dachte Melisande betrübt. Dann könnte ich aus der Luft nach Alina suchen.
    Die vergangenen beiden Tage waren wie ein Traum an ihr vorbeigezogen. Sie konnte nicht mehr sagen, was sie getan oder gedacht hatte. Sie erinnerte sich, dass die Tuchmachersfrau zu ihr gekommen war, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Was sie ihr geantwortet hatte, war in den Tiefen ihrer Erinnerung verschwunden.
    Doch eine Sache hatte sie nie verlassen: der Gedanke an Alina. Das hilflose, fieberhafte Überlegen nach einer Möglichkeit, ihre Schwester zu finden.
    Die Zunftbrüder waren ihr in den Sinn gekommen, aber Fassbender hatte sie aus Rache sicher schon in Misskredit gebracht. Vom Stadtvogt brauchte sie auch keine Hilfe zu erwarten. Die Nachbarn hatte sie nicht gefragt, aber sie ahnte, dass sie auch von ihnen keine Unterstützung erhoffen durfte. Wenn Markward und seine Gesellen gewillt gewesen wären, nach Alina zu suchen, hätten sie es ihr sicher schon angeboten.
    Sie machte sich keine Illusionen: Ihr blieb nichts anderes übrig, als selbst jeden Wald, jedes Feld, jedes Dorf und jede Stadt zu durchkämmen.
    Stimmen ertönten vor der Tür. Melisande ließ den Brotkanten sinken und blickte aus dem Fenster. Pater Johannes trat nebst zwei Begleitern durch das Tor. Was konnte er wollen? Die Leichname waren im

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