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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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sollte? Die Erlaubnis war gewiss dahin, zumal Fassbender nun sicher seinen Einfluss geltend machen würde.
    Als die Gruben verschlossen waren, legte Melisande seufzend die Wiesenblumen, die mittlerweile in ihrer Hand verwelkt waren, auf den Hügel. Dann wandte sie sich um und strebte der Kirche zu.
    »Junges Fräulein«, tönte es da aus einer Nische.
    Melisande wirbelte herum.
    Eine dunkel gekleidete Gestalt, deren Gesicht sie unter der Kapuze nicht erkennen konnte, trat hinter der Kirche hervor.
    War das einer von Alinas Entführern?
    Als sie sich wieder umdrehte, um wegzulaufen, schoss der Fremde vor und packte sie beim Arm. Nur kurz schrie Melisande auf, dann presste sich ihr eine Hand auf den Mund.
    »Bitte, seid still, ich werde Euch nichts Böses tun.«
    Das Mädchen wehrte sich weiterhin. Wahrscheinlich hatten das die Männer auch zu Alina gesagt, bevor sie sie wegschleppten.
    Der Fremde zerrte sie in eine Ecke und presste sie dort gegen die Wand. Melisande trat nach ihm. Als sich der Mann schmerzvoll aufstöhnend zur Seite neigte, rutschte seine Kapuze ein Stück zurück und gab eine Gesichtshälfte frei.
    Das war der Kerl, der Obdach bei ihnen gesucht hatte! Der feige geflohen war, als die schwarzen Soldaten gekommen waren.
    »Du verdammter Hund!«, schimpfte sie und trommelte gegen die Brust des Mannes. »Deinetwegen sind meine Eltern tot! Deinetwegen wurde meine Schwester verschleppt!«
    Joß Fritz nahm ihre Hiebe schweigend hin, bis Melisandes Arme kraftlos herunterfielen und sie weinend zu Boden sank.
    »Vielleicht trage ich die Schuld daran. Aber getötet haben sie die Männer des Bischofs. Jene Männer, an die wir verraten worden sind.«
    Melisande bekam seine Worte nur beiläufig mit. Schmerz und Trauer zerschnitten sie regelrecht. Bald schmerzten ihre Brust, ihre Kehle und ihre Augen vom Weinen, aber sie konnte einfach nicht aufhören.
    Joß Fritz hockte sich vor sie hin. »Hört zu, Melisande.«
    Bei der Nennung ihres Namens sah sie auf.
    »Ich kann Euch nicht sagen, wie die Namen dieser Männer lauten, aber ich habe vielleicht eine Spur, die Euch zu Eurer Schwester führen könnte.«
    »Sie haben Alina sicher längst geschändet und getötet«, schluchzte Melisande.
    »Das glaube ich nicht. Wenn sie das vorgehabt hätten, dann hätten sie es gleich getan. Wozu sich mit einer Bürde abschleppen?« Joß legte ihr vorsichtig die Hände auf die Schultern. »Eure Schwester lebt noch. Sie haben das Mädchen gewiss nach Speyer gebracht.«
    »Nach Speyer? Wie kommt Ihr darauf?«
    »Die Männer standen im Dienst des Bischofs. Seine Truppen sind immer noch in Speyer stationiert.«
    Erneut kam ihr der Verdacht, dass ihre Schwester ein furchtbares Schicksal erlitten hatte. »Aber warum hätten sie Alina mitnehmen sollen?« Wütend schüttelte Melisande seine Hände ab. »Was haben diese Männer davon? Wollen sie sie als Soldatenliebchen? Meine kleine Schwester!« Ihre Stimme überschlug sich vor Verzweiflung, und sie hatte das Gefühl, dass der Boden unter ihr schwankte.
    »Das kann ich Euch nicht sagen. Vielleicht hat einer der Kerle Gefallen an ihr gefunden. Vielleicht haben sie Eure Schwester auch verkauft. Trotzdem solltet Ihr nach Speyer gehen und Euch dort umhören.« Joß erhob sich und zog die Kapuze wieder über den Kopf.
    Melisande fühlte sich verzweifelter als je zuvor und wusste nicht, wo sie all ihren Zorn lassen sollte.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte Joß Fritz unvermittelt.
    »Könnt Ihr denn nicht …« Melisande stockte, als sie bemerkte, dass sie gerade den Mann um Hilfe bitten wollte, dem sie das Leid zu verdanken hatte. »Könnt Ihr mir helfen?«
    Joß Fritz schüttelte den Kopf. »Nein, ich muss fort«, antwortete er mit harter Miene. »Ich muss meine Kräfte sammeln und neue Gefolgsleute finden.«
    Melisande unterdrückte einen Fluch. Hast du denn noch nicht genug von dem Unheil, das du über die Leute bringst, auf die du triffst?, fragte sie stumm, brachte die Worte aber nicht über die Lippen.
    »Gottes Segen für Euch, junge Brucknerin«, sagte Fritz, als er sich umwandte. »Ich werde Euch und Eure Schwester in meine Gebete einschließen.«
    Als ob deine Gebete etwas nützen! Wütend starrte Melisande auf die Steine vor sich, doch sie versagte sich, einen von ihnen aufzuheben und ihn Joß hinterherzuwerfen. Ohnehin war der Mann bereits zu weit weg und verschwand im nächsten Augenblick hinter der Kirche.

9. Kapitel
    Am nächsten Morgen erhob sich Melisande schon früh, legte ein

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