Die Knopfmacherin
Speyer gebracht. Einige von ihnen sollen bereits in Udenheim verhört worden sein, aber der Bischof schätzt es wohl nicht, wenn beim Tafeln Schreie durch sein Schloss hallen.«
Ob sie Alina auch verhören werden?, dachte Melisande beklommen. Sie hat doch nichts von der Sache gewusst. Sie war ja noch ein halbes Kind.
Am liebsten hätte sie den Fährmann weiter ausgefragt, aber sie beherrschte sich. Für jede Frage, die sie ihm stellte, stellte er eine Gegenfrage, die sie nur schwerlich beantworten konnte, ohne allzu viel von sich preiszugeben.
Während sie nun auf den Flusslauf blickte, versuchte sie sich zu beruhigen. Sie werden Alina schon nichts angetan haben. Ich hätte es gespürt. Wenn sie noch immer in Speyer ist, werde ich sie finden.
Als spürte der Fährmann, dass sie etwas auf der Seele hatte, worüber sie nicht reden wollte, schwieg er taktvoll. Seinen Blick spürte sie dennoch. Und auch sie spähte immer wieder verstohlen zu ihm herüber. Lederriemen umschlangen seine kräftigen Unterarme, die Hemdsärmel spannten sich über seinen Oberarmen. Mit solch einem Mann legte sich wahrscheinlich kaum jemand an. Warum konnte ich nicht ein Mann werden und meine Familie beschützen?, überlegte Melisande traurig.
Nachdem das Floß von einer Stromschnelle noch ein wenig durchgeschüttelt worden war, machte der Fährmann schließlich an der Anlegestelle fest.
Melisande zog eine Münze aus ihrem Lederbeutel und reichte sie ihm. »Hier, nehmt.«
»Das ist zu viel«, sagte der Fährmann.
»Warum sollte das zu viel sein? Eine Überfahrt bei Euch kostet doch etwas.«
»Aber keinen ganzen Taler!« Der Fährmann lächelte sie an, als er ihr die Münze zurückgab. »Du wirst sicher irgendwann wieder nach Udenheim zurückkehren wollen, oder?«
»Natürlich will ich das«, entgegnete Melisande.
»Dann bezahlst du mich bei deiner Rückkehr.«
»Aber …«
»Nun geh schon, Mädchen!« Der Fährmann machte eine Handbewegung, als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen. »Und nimm dich in Acht. Die Straßen von Speyer können gefährlich sein. Achte auf die Landwehr, die siehst du als Erstes. Und hüte dich vor der Pest!«
Ein Lächeln huschte über Melisandes Gesicht. Diese Ratschläge hätten auch von ihrer Mutter stammen können.
»Ich hoffe, dass du findest, was du suchst«, fügte er hinzu. Damit wandte er sich dem Floß zu und tat so, als wäre sie nicht mehr da.
Melisande beobachtete ihn noch kurz, dann wandte sie sich um und folgte dem schmalen Weg durchs Gras.
10. Kapitel
Der Raum, in den Maximilian Rächer und die vier Soldaten Lux Rapp brachten, lag unterhalb der Wohnräume des Bischofs. Die kleinen Fensterluken waren verschlossen, und Rapp wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich bereits teilweise unter der Erde befanden. Rußende Fackeln beleuchteten die groben Steinwände. Auf dem Boden lag etwas Stroh. Die abgestandene Luft war durchsetzt von der Feuchtigkeit eines Kerkers.
Außer einem langen Holztisch, einem Pult für den Schreiber und Stühlen, auf denen die Verhörzeugen saßen, gab es hier keine Möbelstücke. Nicht einmal für Rächer stand ein Schemel bereit. Die Handlanger von Graf Lichtenfels führten den Landsknecht in gebührendem Abstand vor den Tisch.
Der Mann in der Mitte leitete wahrscheinlich die Sitzung, jedenfalls stellte er die gewichtigste Miene zur Schau. In seinem dunklen Talar verschwand er beinahe vor der dunklen Steinmauer. Das Licht der Kerze vor ihm beleuchtete ein langes, blasses Gesicht mit einem schmalen Mund und dunklen Augen, umrahmt von silbergrauen Locken. Die schwere Kette um den Hals glänzte golden. Unwillkürlich fragte sich Lux, wie lange ein gewöhnlicher Mensch von solch einer Menge Gold satt werden könnte.
Neben dem Ratsmann waren noch vier weitere Männer anwesend. Zwei von ihnen trugen Talare, die anderen kostbar verbrämte Houppelanden. Der Bischof selbst war nicht erschienen, aber auch so fühlte sich Rapp unwohl in seiner Haut. Rächer hatte ihn angehalten, die ganze Wahrheit zu gestehen, egal, wie sie lauten möge.
Was, wenn sie mich trotzdem in den Kerker stecken? Wenn der Bischof sein Wort bricht?, fragte er sich bange.
»Euer Name lautet also Lux Rapp.« Der Mann in dem schwarzen Talar blickte den Landsknecht prüfend an.
»Lukas Rapp«, gab dieser zurück, worauf ihm der Vertraute des Grafen einen Stoß versetzte und ihm zuraunte: »Du musst ›Euer Gnaden‹ hinzufügen, wenn du mit einem der Richter sprichst.«
Bevor der
Weitere Kostenlose Bücher