Die Knopfmacherin
»Hier sind fünfzehn Taler.«
Die Miene des Knopfmachers verfinsterte sich.
Ist ihm die Summe nicht genug?, durchfuhr es Melisande. Die Ausbildung konnte doch nicht so viel kosten! »Mehr besitze ich leider nicht«, sagte sie daher schnell.
Ringhand schnaufte. Er hatte darauf gehofft, dass das Mädchen ihm die Knöpfe anbieten würde. Damit, dass sie Geld besaß, hatte er nicht gerechnet. Doch konnte er so schamlos sein und die gesamte Summe verlangen? Sein Weib hätte ihn dafür gewiss zurechtgewiesen.
»Gib mir zwei Taler für jedes Jahr«, sagte er. »Ich will kein Unmensch sein, und wenn ich ehrlich bin, habe ich tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, mir dieses Jahr einen Lehrjungen zu nehmen.«
Melisande entging nicht, dass sich Bernhard bei diesen Worten die Hand auf den Mund presste. So, wie er die Augen zusammenkniff, musste er sich ein Lachen verkneifen.
Aber auch ohne seine Reaktion spürte Melisande, dass der Knopfmacher nicht ganz die Wahrheit sprach. »Ich werde Euch gewiss nicht enttäuschen, Meister«, entgegnete sie, und für einen Moment drängten Erleichterung und ein wenig Freude die dunklen Wolken über ihrem Herzen beiseite.
»Dann bring dein Bündel zurück in die Kammer, die du in der nächsten Zeit bewohnen wirst. Hast du eigenes Handwerkszeug bei dir?«
Melisande nickte eifrig.
»In Ordnung, komm damit wieder herunter, sobald du fertig bist. Bernhard wird dir dann die Werkstatt zeigen.«
Melisande konnte ihr Glück nicht fassen. Mit freudig pochendem Herzen lief sie die Treppe hinauf. Was mochte den Sinn des Meisters gewandelt haben? Hatte ihn sein Gewissen ermahnt, der Tochter eines Zunftbruders beizustehen?
Eigentlich war das völlig egal. Sie durfte in Speyer bleiben und hatte von nun an nicht nur einen Ort, um ihr handwerkliches Können zu vervollkommnen. Von hier aus konnte sie sich auch auf die Suche nach Alina machen.
Rasch verstaute sie ihre Habseligkeiten neben dem Strohsack, strich noch einmal liebevoll über die Schachtel mit ihren Hochzeitsknöpfen und begab sich dann nach unten.
Bernhard erwartete sie an der Treppe. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Hast es also geschafft, wie?«
Melisande lächelte zurück. »Ja, und ich bin dem Meister sehr dankbar dafür.«
Unten angekommen, führte Bernhard sie in die Küche, wo Grete, die Haushälterin, bereits eine weitere Schale auf den Tisch gestellt hatte.
»Komm, Mädchen, iss etwas«, sagte sie und zwinkerte ihr zu. »Du wirst Kraft brauchen, um beim Meister in die Lehre zu gehen.«
Vor lauter Freude hatte Melisande beinahe ihren Hunger vergessen, doch nun, da ihr der Duft der gesüßten Milchgrütze in die Nase stieg, meldete sich ihr Magen lauthals zu Wort.
»Na, wir werden doch wohl keinen Wolf in der Küche haben«, scherzte Bernhard, als er sich neben sie auf die Bank setzte.
Melisande schlug errötend die Augen nieder, griff dann aber zum Löffel und schaufelte die Grütze in sich hinein.
Nach dem Frühstück führte Bernhard sie zurück in den Raum, in dem sie mit dem Meister gesprochen hatte. Vor lauter Aufregung hatte sie die Einzelheiten gar nicht mitbekommen. Jetzt erst bemerkte sie die sauber geschrubbten Werkbänke und die Knöpfe, die in kleine Schachteln sortiert worden waren. Einige wirkten noch recht schlicht, während andere bereits poliert waren oder kurz vor der Vollendung standen.
Melisande verglich sie im Geiste mit dem Beweisstück, das ihr Vater ihr gegeben hatte. Ringhand hatte nicht gelogen. Keiner der Knöpfe sah dem ihren ähnlich, dessen Form und Verzierungen sich in ihren Verstand eingebrannt hatten.
»Das hier ist die Werkbank des Meisters«, erklärte Bernhard, als sie vor einem der Tische stehen blieb. Melisande fragte sich, wo Ringhand abgeblieben war. Hatte er eine Besorgung zu erledigen? »Da du in der ersten Zeit für die Ordnung in der Werkstatt zuständig bist, solltest du aufpassen, dass du nichts von den Werkzeugen und Schachteln des Meisters durcheinanderbringst. Meister Ringhand kann sehr ungehalten werden, wenn er etwas nicht wiederfindet. Um den Frieden in der Werkstatt zu wahren, solltest du alles stets gewissenhaft an seinen Platz zurücklegen.«
Melisande nickte eifrig. Auch ihr Vater hatte Unordnung auf der Werkbank nicht geschätzt.
Bernhard führte sie nun an den nächsten Tisch. Auch hier standen zahlreiche Schachteln, die Knöpfe in verschiedenen Arbeitsstadien enthielten. Die Werkzeuge, die gerade nicht gebraucht wurden, waren allerdings weitaus
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