Die Knopfmacherin
schaffte er es nicht, die umliegenden Hausdächer aus der Dunkelheit zu heben.
Dass man ihn nicht in den Kerker gesteckt hatte, hätte den Landsknecht zuversichtlich stimmen können, aber ihm gefiel die ganze Sache nicht. Die Wachen vor seiner Kammer und die Höhe des Turms, in dem seine Unterkunft lag, machten eine Flucht unmöglich. Außerdem war dafür gesorgt, dass sich in seiner Kammer nichts befand, das er an Seiles statt hätte benutzen können. Um einem möglichen Sinneswandel der Richter zu entkommen, hätte er sich schon aus dem Turm stürzen müssen. Doch gerade weil er weiterleben wollte, war er ja hier.
Wie es den anderen jetzt wohl erging? Dämmerten sie in ihren Zellen dem Tod entgegen?
Es überraschte Lux nicht, dass er nur wenig Mitleid fühlte. Die Jahre auf dem Feld hatten seine Seele abgeschliffen. Dass er die Menschen aus Bruchsal nicht verraten hatte, lag ausschließlich daran, dass er sich ihren Tod nicht auf sein Gewissen laden wollte. Bei den Aufständischen war es etwas anderes. Wenn er einst vor seinen Schöpfer trat, würde er sich nicht vorwerfen lassen müssen, sie verraten zu haben.
Ein Geräusch vor der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.
Als sich Rapp umwandte, blickte er in das Gesicht seines Peinigers aus Speyer. Graf Lichtenfels lächelte ihn breit an.
Was sucht der Kerl zu dieser Stunde hier?, fragte sich der Landsknecht, während er sich vom Fenstersims erhob.
»Wie ich sehe, kannst du keinen Schlaf finden.«
Rapp schüttelte den Kopf.
»Nach einem Tag wie diesem gehen dir sicher viele Gedanken im Kopf herum, nicht wahr?«
Der Ton des Grafen gefiel Lukas nicht. War er gekommen, um ihn in den Kerker zu stecken?
»Eine kluge Aussage hast du da gemacht«, bemerkte Lichtenfels schließlich. »Der Bischof sowie der Kaiser werden sehr zufrieden mit dir sein.« Er ging ein paar Schritte, dann setzte er hinzu: »Wie mir soeben mitgeteilt wurde, hat man beschlossen, dich freizulassen. Allerdings unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Da du der einzige Einsichtige bist, der Fritz von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hat, wirst du dich auf die Suche nach ihm machen und ihn aufspüren.«
Damit hatte Lux Rapp nicht gerechnet. »Aber Euer Gnaden, ich weiß beim besten Willen nicht, wo er sich im Moment aufhält!«
Lichtenfels lächelte boshaft. »Dann hast du also nichts von irgendwelchen Verstecken oder geheimen Treffpunkten gehört?«
»Ich war noch nicht lange genug dabei. Ich habe es schon dem Amtmann gesagt: An dem Abend, an dem Ihr uns überfallen habt, wurde ich wie einige andere gerade erst eingeschworen.«
»Ich weiß, was du dem Richter erzählt hast. Es war recht viel.«
»Ich habe die Augen offen gehalten. Eine wichtige Fähigkeit für einen Soldaten.«
»In der Tat«, pflichtete Lichtenfels ihm bei. »Nun denn, ohnehin werden wir erst einmal nach Speyer zurückkehren. Möglicherweise hat einer der gefangenen Bauern noch etwas zu sagen. Du wirst dich derweil in der Stadt umschauen.«
Rapp sah den Grafen verwundert an. »Fritz wird nicht so dumm sein, sich in Speyer blicken zu lassen!«
»Joß Fritz vielleicht nicht, aber es wäre durchaus möglich, dass einer seiner geflohenen Spießgesellen meint, man könne sich im Schatten des Wolfes besser verstecken. Deren Gesichter hast du doch sicher auch gesehen, oder?«
»Selbstverständlich.«
»Wenn du einen von ihnen wiedererkennst und auslieferst, hilft es uns vielleicht dabei, bis zum Kopf der Schlange vorzudringen. Besser wäre es natürlich, du würdest Fritz selbst finden.«
Wo soll ich bloß mit der Suche beginnen?, dachte Rapp verzweifelt. Der Anführer des Bundschuhs könnte in alle Richtungen verschwunden sein. Dann kam ihm ein Gedanke. »Wenn Ihr wollt, könnte ich ihn gleich töten«, schlug Lux vor. »Das würde dem Henker die Arbeit ersparen.«
Der Graf lachte auf. »Du bist ein schlauer Fuchs.«
Der Landsknecht starrte ihn erschrocken an. »Herr, ich …«
»Du hattest nicht zufällig den Hintergedanken, mir irgendeine Leiche zu liefern und zu behaupten, das sei Joß Fritz?« Das Lächeln von Lichtenfels erstarb, und sein Blick wurde stechend. »Das Recht, Fritz das Leben zu nehmen, hat nur der Henker. Zuvor wollen wir sicher sein, dass er es auch wirklich ist. Du wirst ihn erkennen und festnehmen. Aber sein Leben verschonst du, hast du verstanden?«
Der Blutdurst in den Augen des Grafen ließ Rapp erschaudern. »Und wenn er inzwischen neue Anhänger um sich geschart
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