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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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rief einer von ihnen und trat vor. Seine Kleidung war recht dunkel und wies keinerlei Schmuck auf. Auch die anderen waren in dunkelbraune Mäntel gehüllt.
    Lux fiel sofort die dicke Staubschicht auf dem Mobiliar auf. Obwohl in der Esse ein kleines Feuer loderte, wohnte hier gewiss niemand mehr.
    Der Mann, der ihn angesprochen hatte, musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann sah er ihm unverwandt in die Augen.
    »Ihr seid also der Verräter. Ein Landsknecht, nicht wahr?«
    »Ein Landsknecht bin ich in der Tat«, entgegnete Rapp und registrierte, dass sein Gegenüber ebenfalls Soldat sein musste. »Dürfte ich wohl Euren Namen erfahren?«
    Der Mann lachte trocken auf. »Was sind schon Namen! Glaubt Ihr wirklich, ich werde Euch meinen richtigen Namen nennen? Lasst es dabei bewenden, dass ich derjenige bin, bei dem Ihr Euch melden werdet, sobald Ihr etwas herausgefunden habt.«
    Rapp presste die Lippen zusammen. Er war diese Art Geheimniskrämerei nicht gewöhnt. Selbst bei Joß Fritz hatten die Männer Namen getragen. Ob es ihre eigenen waren, wusste er freilich nicht, doch nie hatte er das Gefühl gehabt, dass irgendwer etwas vor ihm verheimlichte. Offenbar vertraut mir der Bischof nicht, dachte er.
    »Jetzt kommt, ich will Euch etwas zeigen.«
    Der Fremde nahm die Laterne, die neben dem Ofen stand, und entzündete sie mit einem Holzspan aus der Esse. Dann schritt er voran.
    Rapps Augen weiteten sich erstaunt, als der Namenlose ihn zu einer Luke im Boden führte. Gefolgt von Rächer und den anderen beiden kletterte er hinter dem Fremden in die Dunkelheit, in einen Gang, in dem es nach Fäulnis und Rattenkot stank.
    »Wohin führt Ihr mich?«, erkundigte er sich, als er sich im Schein der Lampe umsah. Der Gang war mit Balken abgestützt und mit schwarzen Brettern verschalt. Offenbar existierte er bereits eine ganze Weile.
    »Ihr werdet es gleich sehen.«
    Sie marschierten eine Weile an den geschwärzten Brettern entlang, wichen hier und da einem Wurzelbüschel aus, das ihnen ihm Weg hing, und kamen schließlich zu einer hölzernen Stiege. Der Unbekannte erklomm sie als Erster und öffnete eine Luke, durch die schwaches Licht fiel.
    Angesichts des Geruchs, der ihm nun entgegenströmte, ahnte Rapp, wo es hin ging. Auf keinen Fall zu einer lauschigen Herberge, wo ihn Brot, Wein und ein weiches Bett erwarteten.
    Der Anblick des von Fackelrauch geschwärzten Ganges bestätigte seine Ahnung. Sie befanden sich auf dem Weg in den Kerker.
    Eine Ratte quietschte laut, als sein Vordermann gegen den kleinen Körper trat, als wäre er ein lästiger Stein. Wenig später erreichten sie die Zelle, in der einige Gefangene zusammengepfercht waren. Obwohl er im Fackellicht keine Einzelheiten erkennen konnte, bemerkte Lukas doch, wie geschunden die Männer waren. Der Geruch nach Blut und verbranntem Fleisch erinnerte ihn wieder an das Massaker, und ihm drehte sich augenblicklich der Magen um. Nur mit Mühe gelang es Rapp, sich nicht zu übergeben.
    Der Unbekannte registrierte seine Regungen mit zufriedener Miene.
    »Wo sind wir hier? Unter dem Altpörtel?«
    Lux hatte von dem berüchtigten Gefängnis gehört. Doch wenn sie in dieses gelangen wollten, hätten sie gleich am Tor haltmachen können. Warum erst der Umweg durch die Stadt?
    Der Namenlose lachte spöttisch auf. »Nein, das hier ist ein Kerker, von dem niemand weiß. Dem Bischof war es zu gefährlich, diese Gefangenen ins Altpörtel zu stecken. Womöglich hätten ihre Rebellenfreunde am Ende versucht, sie zu befreien.«
    Er leuchtete in die Zellen hinein. Die Männer hinter dem Eisengitter reagierten kaum noch. Einige von ihnen schliefen wirklich, andere starrten mit halb geschlossenen Lidern ins Leere.
    »Ich nehme nicht an, dass es Euch danach verlangt, dasselbe Ende zu nehmen.«
    Rapp schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte er dem Namenlosen ins Gesicht geschleudert, dass er nicht ständig ermahnt werden musste, aber er brachte kein Wort heraus.
    »Kommt jetzt«, sagte der Fremde, nachdem er einen mitleidlosen Blick auf die Gefangenen geworfen hatte, und führte den kleinen Trupp weiter nach oben. Es erstaunte Rapp, dass sie in der Bischofsresidenz herauskamen. Der Kerker war also tatsächlich ein geheimer Kerker, in dem die Henkersknechte ihre Arbeit ungestört und ungehört verrichten konnten.
    In der Halle des großen Gebäudes machten sie halt.
    »Die Vernehmungen sind bald zu Ende«, erklärte der Namenlose, während er um Lux Rapp herumlief wie ein Wolf um seine Beute.

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