Die Knopfmacherin
sie ihm vertrauen konnte. Stets achtete er darauf, dass der Meister nichts mitbekam, wenn sie über Alina sprachen.
Außerdem hatte er ihr in letzter Zeit sehr viel beigebracht. Natürlich war dies seine Aufgabe als Geselle, aber Melisande hatte das Gefühl, dass er mehr tat, als eigentlich nötig war. Auch außerhalb der Werkstatt suchte er häufig ihre Nähe, tauchte manchmal unvermittelt auf oder beobachtete sie einfach nur still.
Ihr Herz schlug jedenfalls schneller, als sie ihm in die Augen blickte, und sofort wandte sie sich wieder den Flammen zu, die um den Kessel züngelten. Als Bernhard neben sie trat und ebenfalls die Hände ausstreckte, wäre sie am liebsten geflohen. Geflohen vor ihren Gefühlen, die sie verwirrten und von denen sie fürchtete, dass man sie ihr anmerkte. Doch ihre Beine waren wie angewurzelt.
Als sie kurz zu Grete hinübersah, meinte sie ein wissendes Lächeln über ihr Gesicht huschen zu sehen. Natürlich verschwand es sogleich wieder, als Grete gewahr wurde, dass das Mädchen sie beobachtete. Aber Melisande konnte sich denken, was hinter ihrer Stirn vor sich ging. Und wenn sie ehrlich war, ließen ganz ähnliche Gedanken sie nachts nur spät zur Ruhe kommen – wenn sie sich nicht gerade um Alina sorgte.
»Brauchst du vielleicht Hilfe, Grete?«, fragte sie schließlich, als sie spürte, dass ihr Mund trocken wurde und Bernhards Nähe ihre Knie weich werden ließ.
»Meinetwegen kannst du die Grütze umrühren«, entgegnete die Haushälterin. »So bleibst du am Feuer und erfrierst mir nicht.«
Ich friere ja gar nicht mehr, hätte Melisande beinahe geantwortet, aber dann nahm sie gehorsam den Kochlöffel zur Hand und tat, als gäbe es nichts Wichtigeres als die Grütze. Dass Bernhard sie beinahe schon unverschämt anlächelte, entging ihr dennoch nicht.
»Melisande, heute wirst du eine Lieferung zu unserer Kundschaft bringen«, eröffnete ihr der Meister nach dem Morgenmahl in der Werkstatt.
Eigentlich hätte sie sich an einen Satz Knöpfe machen sollen, daher erstaunte sie diese Anweisung.
Verwundert sah Melisande auf. »Ich?« Ihr Blick streifte Bernhard, doch der schien ebenfalls keine Erklärung dafür zu haben.
»Wer denn sonst?«, schnarrte Ringhand. »Die Kundschaft muss dich ja auch mal kennenlernen. Immerhin bist du jetzt schon beinahe drei Monate bei mir.«
Melisande war zwar bewusst, wie viel Zeit seit ihrer Ankunft in Speyer vergangen war, aber sie hatte nicht daran gedacht, dass das Ende ihrer Probezeit nahte.
Bedeutungsvoll streckte ihr der Meister ein Kästchen entgegen. »Du erinnerst dich sicher an den Herrn, mit dem ich bei deiner Ankunft gesprochen habe.«
Melisande nickte. Zwischendurch war der Kaufmann noch mehrere Male hier gewesen, um weitere Knöpfe zu bestellen. Die Hochzeit seiner Tochter sollte in der kommenden Woche stattfinden.
»Du wirst ihm diese Knöpfe hier zeigen«, sagte der Meister, während er die Schatulle aufklappte. »Wenn sie ihm zusagen, lass dich dafür auszahlen. Sollte er unzufrieden sein, kommst du unverzüglich zurück, damit ich die letzten Änderungen vornehmen kann.«
»Ich soll …« Melisande blieben die Worte im Halse stecken.
»Natürlich sollst du!« Ringhand schüttelte verwundert den Kopf. »Warum auch nicht? Du bist nicht auf den Kopf gefallen, und wie ich in den vergangenen Wochen mitbekommen habe, zeigst du großes Geschick bei der Arbeit. Wenn du diesen Auftrag zu meiner Zufriedenheit ausführst, ist dein Bleiben in der Werkstatt gesichert.«
Melisandes Hände wurden auf einmal kalt und feucht. Zögerlich griff sie nach der Schachtel. »Welchen Preis soll ich ihm abverlangen?«
»Zwanzig Taler, wie vereinbart. Und dass du ja nachzählst! Wie ich weiß, kannst du das.«
Melisande nickte. »Was mache ich, wenn der Kaufmann nicht die volle Summe bezahlen will?«
»Dann gibst du mir Bescheid. Ich werde ihm dann schon Beine machen. Aber denk dran, bleib stets freundlich, egal was der Herr zu dir sagt.«
»Das werde ich.«
Bernhard lächelte Melisande noch einmal aufmunternd zu, dann verließ sie die Werkstatt. Als sie schon in der Tür stand, hielt sie der Meister noch einmal zurück.
»Wo die Brudergasse liegt, weißt du?«
Melisande nickte, denn während ihrer nächtlichen Suche hatte sie beinahe die ganze Stadt abgelaufen. Lediglich in das Viertel direkt an der Stadtmauer hatte sie sich noch nicht vorgewagt, aber dort lag das Kontor des Kaufmanns nicht. »Ja, Meister, das weiß ich.«
»Gut, dann beeil
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