Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
Vom Netzwerk:
Essen.«
    »Das müssen wir deswegen nicht ausfallen lassen«, gab Bernhard verschmitzt zurück. »Der Meister gewährt uns sicher einige Zeit für uns. Nur hast du ihn noch nie danach gefragt.«
    Der Junge hatte sicher recht. Wenn sie sich in ihre Kammer zurückzog, um ihre Knöpfe zu betrachten oder ihren Gedanken nachzuhängen, verschwand Bernhard hin und wieder für einige Stunden, um ins Wirtshaus zu gehen. Doch jetzt wollte er mit ihr spazieren gehen …
    »Also, was meinst du? Hast du nun Lust oder nicht?«
    »Ja«, antwortete Melisande rasch, bevor er es sich anders überlegen konnte. »Natürlich.«
    »Gut, dann will ich den Meister fragen.« Bernhard wirkte erleichtert.
    Melisande wusste für einen Moment nicht, wohin sie schauen sollte, um ihre Verwirrung zu verbergen.
    »Außerdem können wir unterwegs noch ein paar Leuten das Bild von deiner Schwester zeigen«, setzte Bernhard hinzu. »Vielleicht hat ja einer der Reisenden sie gesehen.«
    Melisande nickte, dann wurde ihr auf einmal das Herz schwer. Wenn Reisende Alina gesehen hatten, bedeutete das nur, dass sie von hier fortmusste. Noch vor wenigen Wochen hätte ihr das nichts ausgemacht. Doch inzwischen sträubte sich alles in ihr bei dem Gedanken, Speyer verlassen zu müssen. Sie mochte die Arbeit bei Meister Ringhand, und sie kam auch sehr gut mit Bernhard aus. Außerdem hatte es den Anschein, als würde er sie ebenfalls mögen.
    Alina ist nirgendwo anders, beruhigte sie sich selbst. Warum sonst sollte sich mein Herz so dagegen wehren, von hier wegzugehen?
    Bernhard zuliebe nickte sie allerdings. Wer weiß, überlegte sie, vielleicht hat ja doch jemand Alina gesehen. Schließlich werden Bernhard und die anderen Gesellen nicht allen Bewohnern Speyers begegnet sein.

21. Kapitel
    Bei der sonntäglichen Messe herrschte ein schlimmeres Gedränge als beim Markttag. Jene, die glaubten, dass der Bischof bereits heimlich, still und leise zurückgekehrt sei, wurden allerdings enttäuscht. Ludwig von Helmstatt weilte noch immer in Udenheim.
    Als Melisande die Menschen davon reden hörte, zog sich ihre Brust schmerzhaft zusammen. Die Erwähnung ihrer Heimatstadt brachte ihr außerdem sofort wieder die schrecklichen Ereignisse in den Sinn.
    Was die Leute sich wohl über die Eltern erzählen?, fragte sie sich bang. Und wer mag sich inzwischen die Werkstatt unter den Nagel gerissen haben? Die Tuchmachersfrau wird gewiss nicht verhindern können, dass sich dort jemand einnistet.
    Während der Priester die Messe las, ließ Melisande den Blick durch das Kirchenschiff gleiten. Wie jeden Sonntag betrachtete sie Gesicht um Gesicht, doch nirgends entdeckte sie Alina. Was hast du auch erwartet?, schalt sie sich selbst, als ein stechender Schmerz ihren Nacken durchzog, der sie zwang, wieder nach vorne zu blicken. Sie ist nicht hier. Wenn sie dich gesehen hätte, wäre sie längst zu dir gekommen.
    Nach der Predigt kehrten sie und Bernhard wie geplant gemeinsam in die Werkstatt zurück. Grete trug das Hammelfleisch auf, das sie am Vortag auf dem Markt erstanden hatte. Obwohl es köstlich war, bekam Melisande kaum einen Bissen herunter. Zum einen fürchtete sie, dass der Meister sie nicht mit Bernhard gehen lassen würde. Zum anderen wusste sie nicht, was der Geselle mit dem Spaziergang bezweckte. Zum ersten Mal würde sie mutterseelenallein mit ihm sein.
    »Meister Ringhand, habt Ihr etwas dagegen, wenn ich Melisande nachher in die Stadt mitnehme?«, fragte Bernhard nach dem Essen. »Ich finde, es wird Zeit, dass sie Speyer ein wenig besser kennenlernt.«
    Das Mädchen wich dem schelmischen Blick des Gesellen aus und starrte angestrengt auf die leere Schüssel vor sich.
    »Du meinst wohl, dass sie die Wirtshäuser von Speyer kennenlernt?«, brummte der Meister.
    »Nein, dorthin wollte ich sie eigentlich nicht führen«, entgegnete der Bursche. »Nur ein wenig in die Stadt.«
    Der Meister schien lange darüber nachzudenken. Da sie sein Lehrling war, konnte er es ihr jederzeit verbieten, in die Stadt zu gehen.
    Bitte lasst mich gehen, flehte sie im Stillen. Vielleicht kann mir Bernhard einige Ecken und Winkel zeigen, an denen ich noch nicht war. Vielleicht begegne ich sogar Alina.
    »Nun gut, wenn du mir versprichst, sie nicht in verrufene Gegenden zu führen und zu beschützen, soll sie dich begleiten.«
    »Ich danke Euch sehr, Meister.« Bernhard neigte den Kopf, dann lächelte er Melisande aufmunternd zu.
    Dadurch wurde ihr Herzklopfen noch schlimmer, und sie musste sich

Weitere Kostenlose Bücher