Die Köchin und der Kardinal
die Nachwelt sicher einzuordnen wissen.«
»Nun sprich nicht so philosophisch daher, Jakob«, mahnte der Kommandant und drohte mit dem Zeigefinger. »Genieße das Leben, es ist viel zu kurz, um es mit Grübeln und dunklen Gedanken zu verbringen.«
Jakob leerte seinen Becher, stand auf und entschuldigte sich für den Rest des Abends.
Im Kaiserstuhl hatte es inzwischen ebenfalls aufgehört zu regnen, in der Ferne war nur noch leises Donnergrollen zu hören. Aus einem der Zelte spähte Leander heraus und kam Elisabeth und Agnes entgegen.
»Was ist denn jetzt geschehen?«, rief er. »Elisabeth, du wolltest Pilze sammeln und kommst mit einer jungen Frau und einem Pferd zurück, dazu klatschnass? Wo hast du denn die aufgegabelt?«
Die anderen schienen etwas gehört zu haben, denn sie krochen ebenfalls aus ihren Zelten.
»Fragt lieber, wo meine Schwester mich aufgegabelt hat«, erwiderte Elisabeth und verzog den Mund zu einer schmerzlichen Grimasse. »Jungens, das ist meine Schwester Agnes, die listenreich meine Spuren verfolgt und mich gefunden hat.«
»Da könnte sich ja jeder an deine Spuren heften und uns finden«, meinte Leander. »Es gefällt mir nicht.«
»Ihr braucht keine Angst zu haben«, meldete sich Agnes zu Wort. »Ich verrate euch nicht, wer immer ihr seid oder was ihr auch angestellt habt. Ich brauche nur ein Plätzchen, wo ich hingehöre, und ein wenig zu beißen.«
»Wenn’s nur darum geht«, meinte Daniel und blies die Backen auf. »Auf einen Esser mehr oder weniger kommt es nicht an. Sie ist klein und schlank, wir könnten sie auf unseren Streifzügen mitnehmen und sie durch den Schornstein in die Räucherkammern schicken.«
»Der Gedanke ist gar nicht mal übel«, meinte Leander. »Doch erst einmal müssen wir wissen, woher du kommst, Agnes.«
»Ich komme von einem Kardinal, bei dem ich früher zusammen mit Elisabeth war«, sagte sie.
»Und warum bist du weg von ihm?«, wollte Martin wissen.
»Ich bin ein sehr familiärer Mensch, ich wollte zu meiner Schwester.«
»Nun, sei’s drum«, meinte Leander. »Kannst du dich für sie verbürgen, Elisabeth?«
»Ja, das kann ich«, sagte Elisabeth mit fester Stimme, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie es auch wirklich konnte. Aber sollte sie zulassen, dass Agnes in Nacht und Nebel hinausgetrieben würde?
»Du kannst sie mit in dein Zelt nehmen«, beschied Leander. »Und zieht euch was Trockenes an, ihr holt euch sonst noch den Tod. Für heute ist Feierabend, Feuer können wir nicht mehr machen bei der Nässe.«
Sie verabschiedeten sich voneinander. Elisabeth führte Agnes zum Küchenzelt und entzündete einen Kienspan.
»Hast du noch etwas Trockenes in deinem Reisebeutel?«, fragte sie, und als Agnes verneinte, gab sie ihr eins von ihren Hemden für die Nacht.
»Nimm dir ruhig noch Brot und Käse«, sagte sie, als sie Agnes’ begehrliche Blicke bemerkte. Während Agnes aß, kroch Elisabeth auf ihr Lager und zog sich die Decke bis zum Kinn.
»Ich nehme dich gerne auf, Agnes«, sagte sie. »Du bist schließlich meine Schwester. Wir haben schon viel Freud und Leid miteinander erlebt. Aber eines sage ich dir: Solche Sperenzchen wie im Tross von Bernhard gibt es hier nicht! Wenn ich auch nur einmal etwas bemerke, werde ich mich nicht mehr für dich einsetzen, das verspreche ich dir!«
»Ich schwöre es, Elisabeth, ich habe es damals nur aus Not getan. Und dass ich dich beim Kardinal angeschwärzt habe, tut mir unendlich leid. Lieber würde ich mir die Zunge abbeißen, als so etwas noch einmal zu tun!«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, seufzte Elisabeth. »Gute Nacht, Agnes.«
»Gute Nacht, Elisabeth.«
Am andern Morgen dampfte der Talkessel noch vor Nässe, doch die schon höher stehende Sonne trocknete schnell das Gras, die Büsche und das Holz des Küchenfeuers. Nachdem sie sich im Bach gewaschen hatte, sichtete Elisabeth das, was sie noch an Vorräten hatten. Alles Fleisch war verbraucht, es gab noch Mehl, eingelegtes Gemüse, getrocknete Fische, Zwiebeln, Schmalz, ein Kistchen Eier, etwas Rahm, ein wenig Butter, Wein. Und die Pilze, die sie gestern gesammelt hatten. Also würde es zum Frühstück gerührte Eier geben, mittags geschmorte Pilze und abends Fisch. Sie würde Brot backen müssen, dabei konnte ihr Agnes helfen. Zwei, drei Tage, dann würden sie wieder auf Tour gehen müssen.
Agnes fügte sich gut in das Lagerleben ein. Als wolle sie alleswiedergutmachen, bemühte sie sich, bei der Essensversorgung der Gruppe mitzuwirken.
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