Die Köchin und der Kardinal
danach Freiburg wieder in seine Gewalt zu bringen.«
»Wahrscheinlich wird er aber scheitern. Bernhard hat jetzt nämlich begriffen, was ihm Pater Josef schon ewig einzuflüstern versuchte: dass man Belagerungskriege nicht durch Angriff, sondern nur durch Aushungern gewinnt.«
Elisabeth wurde es flau zumute, wenn sie daran dachte, dass Jakob vielleicht bis zum bitteren Ende auf der Festung ausharren musste. Und Agnes würde ebenfalls verhungern – das konnte sie nicht zulassen!
»Meine Schwester ist noch in der Festung«, sagte sie leise. Und Jakob, wagte sie nicht hinzuzufügen.
»Dein Geliebter ist ebenfalls dort«, sagte der Kardinal. »Und ich bedauere das sehr. Er wollte nicht zu uns überlaufen, das wäre seine Gelegenheit gewesen.«
War Jakob vielleicht dort geblieben, um bei Agnes zu sein? Aber nein, die Entscheidung hatte er ja offensichtlich viel früher getroffen. Elisabeth schaute zum Fenster hinaus, zur Rheinebene, zu den Vogesen hinüber und zur Festung Breisach.
»Wo befindet sich Pater Josef eigentlich?«, fragte sie, um sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
»Den hat Bernhard nach Paris zurückgeschickt, er hatte ja genug von ihm gelernt.«
Am nächsten Tag stieg die Sonne wieder hinter den Bergen hervor, die Stadt dampfte.
Auf dem Marktplatz, nahe dem Münster, war eine Bühne aufgebaut worden, auf der sich Bernhard von Sachsen-Weimar dem Volk präsentierte. Er war heute in glänzenden Harnisch gekleidet, auf seinem Helm wippten Pfauenfedern. Seine Männer standen ihm, ebenso glänzend gerüstet und mit den Waffen in der Hand, zur Seite. Ein Herold blies in eine Trompete. Der Bürgermeister und die Ratsherren waren ebenfalls anwesend. Die Sonne war dem Zenit weiter entgegengestiegen. Elisabeth schwitzte, und sie sah, dass auch der Kardinal ab und zu seinen Hut abnahm und sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte. Viele Bürger Freiburgs waren gekommen und standen abwartend auf dem Platz. Nach einer förmlichen Begrüßung durch den Bürgermeister verlas dieser eine Bittschrift der Stadt. Ihre Hoheit, der Herzog von Sachsen-Weimar, höre sich gnädig die untertänigst vorgebrachte Bitte der Stadt Freiburg an. Sie habe in den letzten Jahren 80 738 Gulden für Brandschatzungen und anderes bezahlt. Die Stadt bitte untertänigst, diesmal die Brandschatzung zu erlassen.
»Ich habe gleich zu Anfang verlangt«, erwiderte Bernhard von Sachsen-Weimar, »den Soldaten etwas für ihren Unterhalt zu geben, das ist aber nicht geschehen. Die Stadt sollte sich schämen, sich einer solchen Kleinigkeit wegen, nämlich um den Preis von 4800 Gulden, zu weigern! Das ist auch nicht mehr als 400 Sack Früchte. Ich merke, dass man nichts für mich tun will. Nicht einmal die Reben baut man gehörig an! Es ist schade, dass die Bürger sich unter meinem Schutz befinden. Ich kann die Stadt auch einem anderen überlassen. Wie wäre es mit dem Feldzeugmeister von Reinach? Dann werdet ihr merken, was ihr an mir gehabt habt. Ich meine es gut mit euch, versteht ihr das nicht?«
»Aber die Stadt kann für keine Brandschatzung in dieser Höhe aufkommen!«, beteuerte der Bürgermeister.
Die Leute begannen zu murren und mit den Füßen zu scharren.
»Er presst das Letzte aus ihnen heraus«, sagte Elisabeth leisezum Kardinal. »Schau doch, wie ausgehungert die Leute schon sind!«
»Darauf kann Bernhard keine Rücksicht nehmen«, erwiderte der Kardinal. »Er muss seine Leute und sich selbst ernähren.«
»Findest du das richtig, Thomas?«
»Was ich gut und richtig finde, steht hier nicht zur Debatte«, gab der Kardinal zurück. »Wahrscheinlich muss jeder sehen, wie er zurechtkommt.«
»Ich werde versuchen, den Armen zu helfen«, sagte Elisabeth.
»Wie willst du das um Gottes willen anfangen?«
»Wir könnten uns umschauen, wo Früchte gelagert sind oder wo sie noch wachsen und geerntet werden können. Dann verteilen wir sie gerecht unter allen.«
Der Kardinal nahm Elisabeths Arm und zog sie aus der Menge. Die Glocke des Münsters schlug die zwölfte Stunde.
»Jetzt gehen wir erst einmal zu Paul und Melvine und beraten uns dort bei einem Essen. Ich hoffe doch, dass sie etwas aufgetrieben haben, was zwischen die Zähne passt und den Magen einigermaßen füllt.«
Vom Münsterplatz gelangten sie durch krumme Gassen nach Oberlinden. Melvine und Paul hatten ganze Arbeit geleistet. Das Gasthaus zum »Roten Bären«, ein Arkadenhaus, hatte einen neuen Anstrich bekommen, rot mit weißen
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