Die Köchin und der Kardinal
kreischten, die Musiker hörten auf zu spielen. Die Männer ließen einen Augenblick lang von Elisabeth ab. Vorsichtig richtete sie sich auf, ihre Blöße mit den Händen bedeckend. Jakob war zur Tür hereingekommen, hatte offenbar das Durcheinander gesehen und in die Decke geschossen. Agnes sprang vom Tisch herunter und verschwand in dem Gemach.
»Du solltest dich schämen, Hans Heinrich, dich vor allen so gehen zu lassen!«, rief Jakob.
»Lass mich in Ruhe! Was soll die Störung?«, knurrte der Kommandant.
»Erinnerst du dich nicht? Du selbst hast mich ausgeschickt, ein Lösegeld für die beiden Gefangenen zu erbitten. Nun habe ich es, nun bin ich wieder hier. Hat dir der Wein so sehr den Verstand umnebelt, dass du nicht mehr weißt, was du tust?«
»Wohl weiß ich, was ich tue«, schrie der Kommandant. »Und ich lasse mich nicht vor meiner versammelten Mannschaft beleidigen. Das wird ein Nachspiel haben, Jakob!«
»Jetzt hör doch erst einmal, was ich erreicht habe, Hans Heinrich«, sagte Jakob begütigend. »Hundert Goldgulden habe ich dafür bekommen, dass wir die beiden Mädchen freilassen.«
In von Reinachs Augen trat ein gieriger Glanz. »Hundert Goldgulden? Sapperlot! Das ernährt uns länger, als ein Bernhard von Sachsen-Weimar uns überhaupt jemals belagernkönnte! Da hat er sich aber selbst ein Bein gestellt!« Er begann dröhnend zu lachen.
»Die Frauen waren es ihm eben wert«, sagte Jakob, ging auf ihn zu und überreichte ihm den Beutel mit den Gulden. Von Reinach öffnete ihn, griff hinein und wühlte mit glückseligem Lächeln darin herum.
»Komm«, sagte Jakob leise und nahm Elisabeths Hand. Als er sich ihrer Blöße bewusst wurde, streifte er seine Jacke ab und legte sie ihr über die Schultern.
»Wo ist Agnes?«, fragte er. Elisabeth zog ihn zu dem Gemach, in dem ihre Schwester verschwunden war. Agnes saß auf einem Stuhl wie eine junge Königin. Sie hatte sich ein durchsichtiges Seidenhemd übergezogen, das ihre zarten Formen mehr zeigte als erahnen ließ. Auf dem Kopf trug sie den Federhut des Kommandanten. Das war es, was sie immer gewollt hatte: Macht. Elisabeth wies auf die am Boden herumliegenden Kleider.
»Komm, Agnes, zieh dich an, wir wurden ausgelöst!«, rief sie.
Agnes hob die dichtbewimperten Augen. »Ausgelöst? Von wem?«
»Von Bernhard von Sachsen-Weimar und dem Kardinal Weltlin in Freiburg«, sagte Jakob ruhig.
»Und du? Gehst du auch mit nach Freiburg?«, fragte Agnes. Sie verschlang ihn mit ihren Blicken.
»Nein, ich muss hierbleiben. Dort würde man mich nur aufknüpfen.«
»Ich bleibe hier«, sagte Agnes in bestimmtem Ton. »Ich lasse mich nicht verschachern, und schon gar nicht an einen windigen Herzog und einen noch windigeren Kardinal!«
»Komm, Elisabeth, da ist Hopfen und Malz verloren«, sagte Jakob und nahm wieder Elisabeths Hand.
»Ich hasse dich, ich hasse euch beide!«, kreischte Agnes. »Und ihr werdet schon sehen, wer von uns das bessere Los gezogen haben wird!«
»Agnes, ich bitte dich bei Gott dem Allmächtigen, kommmit, sonst bist du verloren!«, rief Elisabeth, außer sich vor Kummer. Die Tränen rannen ihr die Wangen herab.
»Es ist mein letztes Wort«, beschied Agnes. In ihren Augen war eine Kälte, die Elisabeth frieren ließ. Elisabeth machte sich los von dem Anblick ihrer Schwester, folgte Jakob nach draußen. Die Offiziere, Reinach und die Dirnen aßen, tranken und küssten weiter, als wäre nichts geschehen. Ohne von den Leuten bemerkt zu werden, erreichten Jakob und Elisabeth die Tür.
»Im Nordosten der Burg ist ein geheimer Gang«, raunte Jakob Elisabeth zu. »Du erreichst ihn, wenn du vom Tuniberg immer nach Westen gehst, dann über einen Wildpfad in den Burggraben hinab. Ich werde dir eine Nachricht zukommen lassen.«
Elisabeth antwortete nicht, senkte aber den Kopf zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte. Im Hof, der von Fackeln an den Wänden beleuchtet war, standen die bewaffneten Reiter und saßen auf, als sie die beiden herankommen sahen. Jakob half Elisabeth aufs Pferd und küsste sie auf den Mund.
»Wir werden uns wiedersehen«, sagte er und drückte noch einmal ihre Hand.
Elisabeth nickte, gegen die Tränen ankämpfend. Das Burgtor wurde geöffnet, die Hufe der Pferde klapperten über das Pflaster der Straßen von Breisach.
29.
Früh am anderen Morgen, als sich das erste Tageslicht über dem Schwarzwald zeigte, erreichten sie die Stadt Freiburg. Sie passierten das Schwabentor, das streng bewacht war, und mussten
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