Die Köchin und der Kardinal
Gitter, umschloss es mit den Händen und begann daran zu rütteln. Gleichzeitig rief sie, so laut sie konnte: »Hilfe, ich bin hier eingesperrt, so helft mir doch!«
Das Echo ihrer Stimme hallte von den Wänden des Münsters zurück. Niemand kam, um ihr zu helfen. Es ist ja noch früh am Morgen, versuchte sie sich zu beruhigen. Der Mesner wird bald kommen, um nach dem Rechten zu sehen. Eine Taube flatterte auf, irrte durch die Säulen und strich flügelschlagend an den Wänden entlang. Elisabeths Stimme war schon ganz heiser vom vielen Rufen. Endlich hörte sie, wie die Tür am Portal aufgeschlossen wurde. Sie begann wieder zu rufen, aber es kam nur ein Krächzen heraus. Irgendetwas schien der Besucher gehört zu haben, Elisabeth hoffte inbrünstig, dass es der Mesner sein möge und nicht einer von den Mönchen. Mit einem Mal geriet der Mensch in ihr Blickfeld. Es war ein hagerer Mann mit abgetragenem schwarzen Habit, der näher kam. Nein, es war keiner der beiden, die sie gestern bedroht hatten.
»Was macht Ihr denn hier?«, fragte der Mann verdutzt.
»Gestern Nacht haben mich zwei Mönche hier eingesperrt«, entgegnete Elisabeth. »Lasst mich bitte heraus, ich muss sie unbedingt finden.«
»Das kann nicht sein«, sagte der Mesner. »Niemand hat den Schlüssel zur Krypta. Außer mir und dem Kardinal.«
»Aber das ist es ja!«, rief Elisabeth. »Der Kardinal wurde von den Mönchen entführt! Sie haben ihm den Schlüssel abgenommen.«
Nun kam Bewegung in den Mann. Er nestelte in seiner Kutte herum und brachte einen Schlüsselbund zum Vorschein. Es dauerte eine Weile, bis er den richtigen Schlüssel gefunden hatte. Elisabeth trat heraus und dehnte die schmerzenden Glieder. Ihr Magen knurrte vernehmlich.
»Ich muss den Kirchenrat verständigen«, meinte der Mesner. Elisabeth sah, dass seine Hände vor Furcht zitterten. »Die sollen beraten, was in einer solchen Lage zu tun ist. Wenn es denn stimmt, was Ihr erzählt.« Misstrauisch ließ er seinen Blick über ihre Kleidung schweifen, die von der Nacht in der Krypta zerknittert und schmutzig war.
»Tut, was Ihr nicht lassen könnt«, sagte Elisabeth und wandte sich zum Gehen.
»Vielen Dank auch, dass Ihr mich befreit habt, Herr Mesner.«
Sie eilte durch das Schiff hinaus. Draußen zog sie tief die frische Luft in ihre Lungen. Die Stadt war dabei, zu erwachen. Läden wurden hochgezogen, Stände für den kleinen Markt bestückt. Aus einer Schmiede drang Hämmern, von einem Bäckerladen her zog der Duft nach frisch gebackenem Brot herüber. Elisabeths Magen zog sich wieder schmerzhaft zusammen. Sie konnte nicht anders, sie lief zu dem Bäcker hinüber und kaufte sich zwei Brezeln, setzte sich auf den Marktbrunnen und verzehrte voll Genuss das frische Gebäck. Falls dem Teig Eichelmehl beigemischt war, konnte sie es nicht herausschmecken. Elisabeth wischte die Krümel von ihrem Kleid, sprang vom Brunnenrand und setzte sich in Bewegung.
34.
Agnes’ Mutter stand wie erstarrt im Türrahmen. Dann kam langsam Leben in sie. Ihre Züge hellten sich auf, ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Sie breitete die Arme aus, lief auf Agnes zu und nahm sie in die Arme.
»Nein, so was«, murmelte sie immer wieder, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Der Vater kam ebenfalls heran und streichelte Agnes zaghaft über den Kopf.
»Dass ich das noch erleben darf, ein weiteres meiner Kinder wiederzusehen«, sagte er.
Die Mutter ließ Agnes los, und Lukas stürzte sofort zu ihr hin. Er umfasste ihre Hüfte und drückte seine Schwester, so fest er konnte.
»Und wo ist Elisabeth?«, wollte er wissen.
»Bin ich dir nicht genug?«, fuhr Agnes auf, war sich dann aber der Peinlichkeit ihres Ausbruchs bewusst. »Die ist in Freiburg«, sagte sie. »Bei einem Kardinal wohnt sie.«
Lukas machte große Augen.
»Und wer ist das?«, fragte er mit einer Kopfbewegung zu Jakob hin.
»Ich bin Jakob aus Bayern, den deine Schwester Elisabeth schon einmal gerettet hat«, meinte Jakob mit einem Lächeln.
»Und der auch uns vor den Kaiserlichen gerettet hat, damals in Calw«, setzte Agnes hinzu.
»Ihr müsst reinkommen und erzählen«, beschied die Mutter. »Wenn auch in unserer Hütte wenig Raum ist.« Sie wischte sich mit der Hand über die Augen. Das Häuschen war spärlich eingerichtet. Ein Raum, der den Ofen für die Speisezubereitung enthielt, ein Tisch, drei Schemel.
»Wo schlaft ihr denn?«, wollte Agnes wissen.
»Im Stall«, gab ihr Vater zur Antwort. »Dort steht auch
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