Die Köchin und der Kardinal
voran, der Kutscher musste immer wieder die Pferde antreiben, um sie aus dem Matsch herauszubekommen. Elisabeth hörte das Fluchen der Frauen vor und hinter sich, die ängstlichen Stimmen der Kinder. Erst nach dreiTagen kam die Sonne wieder heraus. Die Gesichter der Menschen wurden freundlicher. Am Fluss hatte sich eine Gruppe von Spielleuten aufgestellt. Es waren fünf junge Männer, die mit Laute, Schalmei, Sackpfeife, Geige und Flöte spielten, einer von ihnen sang dazu.
»Ein Mädchen wollt zum Tanze gehn,
schneeweiß war sie gekleidet.
Was sah sie dort am Wege stehn?
Ein Lorbeerbaum so schöne.
Und haut man ihn im Winter ab,
im Sommer grünt er wieder.
Ein Mädchen, das sein Ehr verliert,
gewinnt sie niemals wieder.«
Elisabeth fühlte sich seltsam berührt von dem Lied, als wären sie und Agnes damit gemeint. Schnell schaute sie sich nach ihrer Schwester um. Agnes stand ein Stück entfernt und klatschte mit den anderen Schaulustigen Beifall. Die Gruppe trug noch ein paar weitere Lieder vor, es war Elisabeth ein Vergnügen, ihnen zuzuhören. Der Sänger ging, nachdem sie geendet hatten, mit seinem Hut herum und sammelte Geld ein. Als er vor ihr stand, legte Elisabeth ihm zwei Kreuzer in den Hut.
»Wie heißt du?«, fragte sie den jungen Mann.
»Leander«, meinte er und verzog den Mund zu einem Lächeln. Das blonde Haar fiel ihm wirr in die Stirn.
»Wer seid ihr, woher kommt ihr?«, fragte Elisabeth weiter.
»Die anderen heißen Hans, Daniel, Martin und Konstantin«, antwortete der Junge bereitwillig. »Wir kommen aus dem Badischen, aber da ziehen so viele Horden herum. Deshalb haben wir uns diesem Tross angeschlossen.«
»Ich hoffe, euch alle bald wiederzusehen«, sagte Elisabeth. Der junge Mann ging weiter und streckte den Leuten mit einem freundlichen Lächeln den Hut hin. Später sah Elisabeth die jungen Männer nicht mehr. In der Nähe der Stadt Baumes-les-Damesschlugen Tross und Heer das Nachtlager auf. Elisabeth begriff sehr bald, wie das Lagerleben beschaffen war. Metzger, Bäcker, Schuster, Bader, Schmiede, Pferdeknechte, Hebammen und Spielleute gehörten dazu, ebenso Huren, die in einer eigenen Ecke lebten und wanderten. Der Trossweibel sorgte für die Einhaltung von Regeln, zum Beispiel, wann aufgebrochen wurde, wer wann plündern durfte, wo die Quartiere aufgeschlagen wurden und wann Sperrstunde war, also kein Bier mehr ausgeschenkt werden durfte. Der Profos, ein Gerichtsherr, und seine Steckenknechte hielten ebenfalls Ordnung, wachten über die Moral der Truppe und führten Regelbrecher der angemessenen Bestrafung zu. Nach etwa eineinhalb Wochen erreichten sie Besançon, einige Tage später Gray, in dessen Nähe das Heer von General Savelli und Carl von Lothringen stand. Sie lagerten auf einer Hochfläche über dem Tal der Saône. Im Abendlicht konnte Elisabeth die unzähligen Männer und Frauen sehen, die Wagenburgen, die Zelte und den Rauch, der überall aufstieg. Das Heer mochte zahlenmäßig gleich stark sein wie das von Bernhard.
Am folgenden Morgen standen Elisabeth, Agnes und Pater Josef auf der Höhe und sahen zu, wie Bernhard von Sachsen-Weimar mit seinem Heer die Anhöhe hinunterritt. Die Junisonne durchdrang schnell den Nebel über dem Fluss, es wurde so heiß, dass Elisabeth der Schweiß in den Kragen ihres Kleides rann. Bernhards Armee hatte inzwischen den Fuß des Hügels erreicht. Das Heer Savellis stand in Schlachtordnung auf der anderen Seite des Flusses. Auch Bernhards Heer nahm langsam Stellung an. Elisabeths Herz klopfte stark, ihre Knie waren weich. Es war die erste Schlacht ihres Lebens! Pater Josef stand zufrieden grinsend neben ihr. Elisabeth schaute zu Agnes hinüber. In so einer Verfassung hatte sie ihre Schwester noch nie gesehen. Sie wusste, dass Agnes eigensinnig und verwöhnt und immer auf sie, Elisabeth, eifersüchtig gewesen war. Doch jetzt stand in ihren Augen ein Ausdruck, der Elisabeth erschreckte.War es Hass, war es Angst, war es vielleicht beides? Auf beiden Seiten wurden nun die Trommeln geschlagen, Fanfaren von Trompeten erklangen, und ein Herold rief: »Hört, hört, ihr Heere des Krieges! Die Schlacht ist vorbereitet, der Kampf kann beginnen!«
Mit einem Brüllen aus Tausenden von Kehlen bewegten die beiden Heere sich aufeinander zu, Piken und Schwerter blitzten in der Sonne, wie zwei unermesslich breite Lawinen wälzten sich die Männer und die Pferde zum Fluss. Elisabeth biss sich in die Hand, um nicht aufzuschreien. War das wirklich sie,
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