Die Köchin und der Kardinal
die da stand und Zeugin einer Schlacht wurde?
»Auf, drauflos!«, schrie Pater Josef. Agnes stand unbeweglich, den Blick starr auf das Geschehen im Tal gerichtet. Der Fluss war an dieser Stelle ziemlich breit, so dass die Soldaten nicht Mann gegen Mann kämpfen konnten. Sie verharrten in ihrer Stellung, schossen mit Musketen und Pistolen. Die schweren Musketen mussten jedes Mal nachgeladen werden, es dauerte eine Ewigkeit, bis ein Musketier wieder vorne stand und feuerte. Auf beiden Seiten fielen reihenweise Männer, Todesschreie waren zu hören, Pferde gingen in die Knie und wälzten sich auf dem Boden, begruben dabei ihre gepanzerten Reiter. Ein Pulvernebel hatte sich über das Tal gelegt. Elisabeth wollte weglaufen, doch sie wusste nicht wohin. So zwang sie sich, weiter hinzuschauen, wie sich zwei Heere mit Zehntausenden von Männern gegenseitig abschlachteten. Nach zwei Stunden zogen sich beide Armeen ein wenig zurück. Es schien keine in der Übermacht zu sein. Da geschah etwas Unerwartetes: Bernhard von Sachsen-Weimar, den Elisabeth an seinem bunten Federhut und der blitzenden Rüstung erkannte, hob die Hand, rief seinen Männern etwas zu und gab seinem Pferd die Sporen. Er ritt geradewegs in den Fluss hinein, dass das Wasser nur so spritzte. Mit einem Brüllen folgten ihm seine Männer auf das andere Ufer und das feindliche Heer zu. Das Wasser ging den Pferden bis an die Brust, sie scheuten, doch ihre Reiter triebensie unbarmherzig weiter. Die Musketiere und Pikeniere hielten ihre Waffen hoch über sich, als sie die Saône durchquerten. Viele brachen mittendrin, von Schüssen getroffen, zusammen, fielen ins Wasser und wurden von der Strömung fortgetragen. Dann waren die Reiter drüben, die Artillerie folgte, und ein entsetzliches Gemetzel begann. Elisabeth drehte sich um und hielt sich die Ohren zu, Agnes stand wie zur Salzsäule erstarrt. Elisabeth hörte Pater Josef rufen: »Ja, jetzt werft eure Eisenkugeln, eure Brandsätze, Kartätschen und Granaten! Die Nägel sollen euch um die ungewaschenen Ohren fliegen, ihr Flegel, ihr verdammten!«
Elisabeth hielt es nicht mehr aus. Sie lief zu einer kleinen Waldinsel, die auf der Hochebene stand. Dort ließ sie sich am Stamm einer Eiche herabgleiten und hörte den Schlachtenlärm nun etwas leiser. Sie krallte die Hände ins Moos und übergab sich. Es kam nur gelbgrüne Galle, aber sie würgte immer weiter. Endlich richtete sie sich auf und wischte sich mit einem Eichenblatt den Mund ab. Das war also der Krieg. Elisabeth kam es vor, als hätte sie bisher nur den Anfang erlebt, als würde das Schlimmste noch kommen. Ein Käfer krabbelte am Stamm der Eiche hinauf. Elisabeth stand lange da wie erstarrt. Die Sonne wanderte den gegenüberliegenden Bergen zu, es wurde allmählich etwas kühler. Elisabeth schleppte sich zu den anderen zurück. Die beiden Flussufer waren mit unzähligen Leichen bedeckt, aber es wurde offensichtlich nicht mehr gekämpft. In der einsetzenden Dämmerung zog Bernhard mit seinem Heer wieder den Berg herauf. Die Männer sangen und winkten. Da wusste Elisabeth, dass Bernhard die Schlacht gewonnen hatte.
17.
Es war Mitte Juni des Jahres 1637. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab, Tag für Tag. Bernhard von Sachsen-Weimar hatte Befehl gegeben, über Mömpelgard ins südliche Elsass zu marschieren. Vorerst reichten seine finanziellen Mittel noch aus, um sein Heer zu versorgen, und auch die Frauen und Männer des Trosses litten keinen Mangel, zumal die Felder und Gärten im Burgund Früchte in Hülle und Fülle boten. Der Kardinal achtete sehr darauf, dass Elisabeth möglichst in seiner Nähe blieb und nicht mit den Händlern, Weibern, Kindern oder gar den Huren in Berührung kam. Elisabeth bereitete für die Offiziere und den Kardinal das Essen zu. Sie kochte Rinderbraten in Rotwein, Ragoût fin, briet Kalbskoteletts, buk Schinken in Brotteig, bereitete saure Leber zu, Ochsenzunge in Kapernsoße, schmorte Zitronenhuhn und Gänsekeulen. Im Flüsschen Doubs schwammen besonders schöne Forellen und Hechte, auch Flusskrebse wurden gefangen, die garte Elisabeth mit Sahnesoße und Dill. Als Beilagen servierte sie Spinat, Eier, Mangold, Erbsen und Frühmöhren. Zum Nachtisch stellte sie Rhabarberkompott und Erdbeercreme her. Über diesen Tätigkeiten verlor sie ihre Schwester fast gänzlich aus den Augen. Agnes erschien nur zu den Mahlzeiten. Nachts kam sie erst nach der Sperrstunde, wenn Elisabeth schon im Einschlafen war. Dann roch sie nach
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