Die Köchin und der Kardinal
damals! Und nie weiß man, ob man jetzt katholisch oder protestantisch sein soll.«
»Du sprichst die Bibeln an, die jetzt aufgetaucht sind?«, fragte ihr Mann. »Das sind protestantische Bibeln. Ein Mann namensLuther hat die lateinische Bibel vor etwa hundert Jahren übersetzt. Ich verstehe nicht, warum das verboten sein soll.«
»Man munkelt schon, dass sich der römische Inquisitor einschalten wird«, stellte die Frau fest.
»Und wenn schon, dann gibt’s ein schönes Spektakel, eine Bücherverbrennung«, sagte ihr Mann und spülte sein Sauerkraut mit einem Schluck Würzwein hinunter.
Elisabeth blieb der letzte Bissen Wurst im Halse stecken. Was hatte er da gesagt? Eine Bücherverbrennung? Ihr fiel ein, was Kardinal Weltlin damals in Baden zu ihr gesagt hatte. Die Mutter von Johannes Kepler, Katherina, hatte es nur ihrem Sohn zu verdanken, dass sie nicht auf den Scheiterhaufen kam, auch wenn sie nur noch kurze Zeit am Leben bleiben sollte. Und der Kardinal hatte Kepler dabei unterstützt. Elisabeth wusste, dass allerorten Tausende von Hexen verbrannt wurden, im Krieg mehr denn je zuvor. Ob ihnen, ihr und dem Kardinal, womöglich der Scheiterhaufen drohte? Ach, hätten sie doch diese unseligen Bibeln nicht drucken lassen! Auf der anderen Seite: Würde jemals Licht in dieses Dunkel kommen, wenn sich keiner mehr traute, den Mund aufzumachen? Mit etwas zittrigen Fingern holte Elisabeth ihren Geldbeutel heraus und winkte dem Wirt, um zu zahlen. Nachdem sie ihm acht Kreuzer in die Hand gedrückt hatte, stolperte sie hinaus. Die eisige Luft tat ihrem Kopf gut. Der Kardinal hatte gesagt, ihnen könne nichts geschehen, aber wenn man schon in den Gasthäusern über Bücherverberennungen redete, dann war es vielleicht schon zu spät. Elisabeth eilte zum Kardinalshof, fand Kardinal Weltlin jedoch nirgends. Auch in der Druckerei war er nicht mehr anwesend. Sie nahm den Weg zurück an einem der Kanäle. Wenn sie nun von der Inquisition verfolgt wurden, wohin könnten sie fliehen? Zum Heer und Tross von Bernhard? Wo lag denn das in diesem Augenblick? In der Dämmerung, die früh herabsank, kehrte Elisabeth zum Kloster zurück. Die Fenster starrten sie wie feindliche Augen an. Elisabeth betrat das Kloster durch diePforte. Der Bruder Pförtner würdigte sie keines Blickes. Hatte das etwas zu bedeuten? Elisabeth wollte gerade weitergehen, da rief der Pförtner: »Wartet, ich soll Euch etwas ausrichten.«
»Von wem denn?«, fragte Elisabeth. Ihr schwante Übles.
»Ihr sollt gleich, wenn Ihr zurückkommt, zum Kardinal Weltlin kommen. Er ist in der Bibliothek.«
Jetzt ist es geschehen, dachte Elisabeth, das ist das Ende, alles stürzt in sich zusammen. Wie im Traum durchquerte sie den Kreuzgang, stieg eine Treppe hinauf und trat in die Bibliothek. Kardinal Weltlin stand mit einem Buch in der Hand mitten im Raum und sah ihr entgegen. Der Ausdruck seines Gesichts war unendlich traurig. Nun ist alles, was er zu seinem Lebenswerk gemacht hat, in Stücke zerbrochen, dachte Elisabeth. Wie würde sie ihn nur trösten können?
»Ich habe Euch etwas mitzuteilen, Elisabeth«, sagte er. Sie wartete mit klopfendem Herzen.
»Eure Schwester Agnes hat sich mir heute anvertraut«, fuhr er fort. Seine Augen waren hart, schimmerten aber gleichzeitig ein wenig feucht. Elisabeth wartete.
»Sie hat mir erzählt, dass Ihr schon in Baden einen Buhlen hattet.«
In Elisabeths Kopf explodierte etwas. Dann hatte Agnes es also die ganze Zeit gewusst! Das Blut schoss ihr ins Gesicht.
»Ich sehe, dass Ihr rot werdet, und werte das als Geständnis«, sagte der Kardinal. »Ich frage Euch nur: warum? Und warum ausgerechnet ein Kaiserlicher?«
Elisabeth wusste, dass sie keine Ausflüchte mehr machen konnte. »Ich habe ihn geliebt«, sagte sie leise.
»Und? Liebt Ihr ihn immer noch?«
»Ich … weiß es nicht«, sagte Elisabeth. Dass sie auch ihn, den Kardinal, auf ihre Art liebte, wollte sie gar nicht erst sagen. Zu sehr fürchtete sie, seinen Zorn zu erregen. Dann würde er sie verstoßen, und sie würde keinen Platz mehr auf dieser Welt haben, wo sie leben könnte. Sie wusste ja, wie sehr der Kardinaldurch die Frau, die er geliebt und die ihn verlassen hatte, verletzt worden war.
»Außerdem hat Agnes gesagt, dass Ihr im Tross von Bernhard etwas mit Männern hattet.«
»Nein …«, begann Elisabeth, doch der Kardinal schnitt ihr das Wort ab.
»Ich habe schon Vorsorge getroffen«, sagte er. Seine Stimme, die zuletzt ein wenig geschwankt hatte, hatte
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