Die Köchin und der Kardinal
Soldaten entschuldigen«, sagte er. Elisabeth sah einen warmen Schimmer in seinen Augen. Dann hatte er sie also erkannt!
»Kommt doch einen Augenblick nach draußen, wir müssen schauen, dass sich nicht noch jemand an Eurem Eigentum vergreift«, meinte er. Vor dem Zelt war niemand mehr zu sehen. Jakob trat näher zu Elisabeth heran und flüsterte: »Habe ich dich endlich gefunden, Elisabeth! Unter solchen Umständen!«
»Ich habe gewusst, dass du hierherkommen würdest«, raunte sie zurück.
»Es wird in den nächsten Tagen eine Feuerpause geben«, sagte er. »Komm morgen Abend zum Fluss, da gibt es eine verlassene Fischerhütte auf einer Rheininsel.«
»Ja, ich kenne sie«, sagte sie leise.
Er trat einen Schritt zurück. Nun wieder in lautem Ton fuhr er fort: »Nichts für ungut, meine Dame, meine Männer werden Euch nichts mehr tun. Ich muss zurück zu meinem Regiment.«
Elisabeth starrte ihm wie verzaubert nach, als er auf seinen Rappen stieg, ihm den Hals klopfte und sagte: »Na, Ferdl, das haben wir wieder einmal hingekriegt.«
Das Pferd wieherte und wippte wie zur Bestätigung mit dem Kopf. Schon galoppierte Jakob zurück zu seinen Verbänden.
Die Kämpfe dauerten noch bis zum Einbruch der Dunkelheit an. Die Kaiserlichen zogen sich in die Stadt Rheinfelden zurück, sie betrachteten sich als Sieger. Bernhards Heer zog nach Laufenburg ab, der Tross blieb. Elisabeth wusste, dass niemand von den Kaiserlichen sie mehr belästigen würde. Schon am 2. März wollte Bernhard mit dem gesammelten Heer zurückkehren. Der Morgen des 1. März begann mit strahlendem Sonnenschein. Als Elisabeth aus ihrem Zelt trat, sah sie die Leichen auf dem Schlachtfeld liegen. Ihre Kameraden waren damit beschäftigt, sie einzusammeln und in einem Massengrab zu bestatten. Die Bader und der Wundarzt versorgten die Verletzten, die in ein größeres Zelt gebracht worden waren. Die Frauendes Trosses kochten den Verwundeten eine kräftige Suppe und Würzwein. Pater Josef, nun wieder zu seiner redseligen Geschäftigkeit zurückgekehrt, erschien und wünschte Elisabeth einen guten Morgen. Der Feind habe wesentlich mehr Tote und Verwundete davongetragen als sie selbst, meinte er. Den Tag verbrachte Elisabeth damit, zusammen mit den anderen Frauen dem Feldarzt zur Seite zu stehen. Da mussten Brüche geschient, tiefe Wunden versorgt, Eiter entfernt, Kugeln aus zerfetzten Gliedmaßen geholt werden. Der Gestank war unerträglich, die Helfer trugen Tücher vor Nasen und Mündern, die mit Essig getränkt waren. Mit einer Knochensäge trennte der Arzt Arme, Füße und Beine ab, die nicht mehr zu retten waren. Elisabeth musste die Köpfe der Verwundeten halten, ihnen Branntwein einflößen und ein Stück Holz zwischen die Zähne schieben. Trotzdem gellte ihr das Gebrüll der Männer in den Ohren. Elisabeth behandelte Wunden und Quetschungen, als hätte sie das schon immer getan. Der Tag neigte sich seinem Ende zu, die Sonne verschwand hinter dunkelvioletten Wolken. Elisabeth holte sich heißes Wasser aus der Feldküche, wusch sich in ihrem Zelt Blut und Erbrochenes von der Kleidung und schlüpfte in ein frisches Gewand. Niemand achtete auf sie, als sie in ihrem Pelzmantel das Zelt verließ und zum Fluss hinüberschlenderte. Die Ufer des Rheins waren hier mit Weiden und Erlen bewachsen. Die kleine Insel kam in Sicht. Ein Ruderboot lag vertäut am Rand des Stromes und schaukelte in der Strömung hin und her. Inzwischen war es vollends dunkel geworden. Ein Schatten löste sich von einer der Weiden, er war bei ihr, nahm sie fest in die Arme, drückte ihr einen Kuss auf den Mund.
»Schnell ins Boot«, drängte er. »Wir dürfen von niemandem gesehen werden.«
Sie stieg in das Ruderboot und legte sich auf seine Bitte hin auf die Planken. Er stieg ebenfalls ein und griff zu den Rudern. Es war nicht einfach, das Boot in dem Wasser, das von derSchneeschmelze angeschwollen war und reißend dahinfloss, zu navigieren. Schließlich erreichten sie die Insel. Sie wurde von den Feuern in der Stadt matt erleuchtet. Elisabeth sah die Fischerhütte, die aus groben Brettern erbaut war. Jakob sprang an Land, machte das Boot an einem Baum fest und reichte ihr die Hand. Schnell liefen die beiden zu der Fischerhütte hinüber. Knarrend öffnete sich die Tür. Im Innern herrschte fast vollkommene Dunkelheit. Es roch nach kalter Asche und totem Fisch. Eigentlich hätte Elisabeth sich ihr Wiedersehen an einem schöneren Ort vorgestellt, aber man konnte ja nicht wählerisch
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