Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
Zwergensprache, aber ihm war klar, dass dieses eine Wort »Hilfe« bedeutete – und dass der Kerkerknecht damit sein Schicksal besiegelt hatte.
Der Schrei des Zwergs ging in ein grässliches Gurgeln über, als Ferghas unbarmherzig zustieß. Mit einem Geräusch wie wenn ein Mehlsack umfiel, kippte der Wärter von den Beinen.
»Verdammter Narr«, fluchte der Clansmann. »Rasch, wir müssen uns beeilen!«
Dag trat vor und senkte in weiser Voraussicht das Haupt – da der Kerker von Zwergen erbaut war, waren die Türen entsprechend niedrig. Henquist betrat zusammen mit ihm die Zelle, in der es entsetzlich stank. Ratten quiekten leise und trippelten auf kleinen Pfoten davon, als der Fackelschein sie erfasste. Und noch etwas schien die Flamme aus der Dunkelheit der Kerkerzelle zu reißen.
»Dort auf der Pritsche sitzt jemand«, hauchte Henquist.
»Vater?«, fragte Dag.
Einige Augenblicke verstrichen, ehe sich in der Stille vor ihm etwas regte. »Dag-Daghan?«, drang es dann zaghaft zurück. Dag erschrak über den brüchigen Klang der Stimme, in der er seinen Vater kaum wiedererkannte. »Bist du das, Sohn?«
»Vater!«
Mit ausgestreckten Armen trat Dag vor – und schloss seinen Vater im nächsten Moment in die Arme. Doch in die Erleichterung darüber, dass sie Herzog Osbert tatsächlich gefunden hatten, schlich sich neuerliches Entsetzen. Erschrocken gewahrte Dag, wie abgemagert und zerbrechlich die in zerlumpte Fetzen gekleidete Gestalt war, die er umarmte. Als er seinem Vater zuletzt begegnet war, war dieser ein Ausbund an Kraft und Entschlossenheit gewesen, ein Kämpfer, wie er im Buche stand. Neun Monate in Winmars Kerker hatten ausgereicht, um einen Schatten seiner selbst aus ihm zu machen.
»Daghan, tatsächlich«, hauchte Osbert. Dag fühlte schmutzverkrustete, knochige Finger in seinem Gesicht. »Mein Junge, ich hätte nicht gedacht, dass wir uns wiedersehen.«
»Ich auch nicht, Vater«, gab Dag zu.
»Doch schließlich bist du heimgekehrt, zurück nach Ansun, wohin du gehörst.«
»Va-Vater?«, fragte Dag verwirrt. Er hatte das Gefühl, dass Osbert ihn durchdringend ansah.
»Ich habe immer gewusst, dass du deine verrückten Pläne irgendwann aufgeben würdest und zurückkehren, um dein Erbe anzutreten«, beschied ihm der Herzog und kicherte leise. »Fliegende Maschinen! Es war nur eine Frage der Zeit, bis du davon lassen und dich auf deine Pflichten besinnen würdest!«
»A-aber Vater!«, wandte Dag ein. »Ich …«
»Aber ich nehme dich wieder bei mir auf«, fiel Osbert ihm ins Wort und tätschelte abermals sein Gesicht. »Nun wird alles wieder gut werden, du wirst sehen.«
Dag wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er hörte, wie Henquist neben ihm eine leise Verwünschung ausstieß, und merkte, wie ihn eisige Schauer durchrieselten.
Sie waren zu spät gekommen.
Osbert, der einstmals so mächtige Herrscher von Ansun, war nicht mehr der, der er einst gewesen war.
Er hatte den Verstand verloren in den dunklen, alles verschlingenden Tiefen von Gorta Ruun.
14
A ryanwen wusste nicht, wie viele Schritte sie bereits gegangen war. Soweit sie es beurteilen konnte, verlief der Gang schnurgerade, ein unterirdischer Stollen von ungeahnter Länge.
Weder gab es Abzweigungen noch Türen, nur hin und wieder einen schmalen, vergitterten Schacht, der den Gang mit Atemluft versorgte. Wohin der Stollen führte, wusste Aryanwen nicht zu sagen, im schummrigen Halbdunkel hatte sie die Orientierung verloren. Nach ihrer Schätzung hatte sie Carashena inzwischen verlassen und befand sich in einem der Außenbezirke Tirgaslans, wo seit dem Krieg Armut und Elend herrschten – und Lavan hatte in seiner Regierungszeit noch nichts unternommen, um dies zu ändern.
Wohin der Stollen führte und wie weit er sich noch durch die Finsternis erstreckte, wusste Aryanwen nicht. Eines allerdings war ihr inzwischen klar geworden: Dass jener Diener, der die Pforten des Grabmals einst von innen verschlossen und von dem es stets geheißen hatte, er wäre seiner Königin bereitwillig in den Tod gefolgt, sich nicht wirklich geopfert hatte. Vielmehr hatte er diesen geheimen Gang benutzt, um aus dem Mausoleum zu entkommen. Ungesehen war er aus der Geschichte entschwunden und hatte damit einen Mythos begründet, den man in Tirgaslan bis zum heutigen Tag erzählte. Enttäuschung empfand Aryanwen allerdings nicht darüber, nur unendliche Dankbarkeit dafür, dass dieser Stollen existierte.
Seit jener Zeit hatte ihn niemand
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