Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
vereint.
    Der Anblick bewegte Aryanwen so sehr, dass sie in Tränen ausbrach. Nicht nur Tränen der Rührung waren es, auch Tränen der Furcht und der Verzweiflung, sowie Tränen des Bedauerns darüber, dass sie nicht zu einem anderen Zeitpunkt hierhergelangt war, wenn die Situation es ihr gestattet hätte, die Stille und den tiefen Frieden dieses Ortes in sich aufzunehmen.
    Doch sie war noch immer auf der Flucht, und ein dumpfer Schlag, der so markerschütternd war, dass er das Mausoleum in seinen Grundfesten erbeben zu lassen schien, machte ihr klar, dass sie ihren Häschern noch längst nicht entkommen war.
    »Nein!«, rief Aryanwen entsetzt.
    Ihre Stimme hallte von der Kuppeldecke wider.
    Erneut ein Schlag, dumpf und dröhnend wie von einer Glocke – etwas stieß von außen mit Wucht gegen das eiserne Tor. Offenbar berannten die Palastwachen das Ewige Tor mit einer Ramme – dass sie damit den Frieden der Könige störten, schien sie nicht zu interessieren, ein entsetzlicher Frevel, den nur Vigor angeordnet haben konnte!
    Wieder ein Schlag.
    Aryanwen sah, wie das Tor erbebte.
    Ihre Trauer schlug erst in Wut um, dann in nackte Furcht. Sie hatte keine Ahnung, welchem günstigen Schicksal sie es zu verdanken hatte, dass sich das Ewige Tor geöffnet hatte, für einen Moment, der gerade lange genug gewesen war, um sie aufzunehmen. Aber ihr war klar, dass, wenn die Wachen weiter mit derartiger Wut gegen das Tor anrannten, es irgendwann nachgeben würde. Und spätestens dann war Aryanwens Flucht zu Ende.
    Spontan sank sie vor dem Sarkophag auf die Knie, die Hände ehrerbietig erhoben. »Königin Alannah«, flüsterte sie in ihrer Not, »meine Ahnin … ich weiß nicht, wer Ihr gewesen seid, denn es war mir nicht vergönnt, Euch zu kennen. Aber ich weiß, dass Ihr alles getan habt, um Tirgaslan und das Reich zu schützen. Hier bin ich, Aryanwen, Eure Nachkommin und Mutter eines Kindes, das nach Euch benannt wurde, auf dass es die Traditionen unserer Familie bewahre. Ich weiß, gute Ahnin, dass Ihr dort draußen seid und über uns wacht. So oft seid Ihr mir im Traum erschienen und habt mir den Weg gewiesen, und ich weigere mich zu glauben, dass all dies bloßer Zufall gewesen sein soll. Deshalb knie ich hier vor Euch und bitte Euch, mir beizustehen. Helft mir, wenn Ihr …«
    Ihr Gedankenfluss wurde unterbrochen, als ein weiterer Schlag dröhnte, noch lauter und wuchtiger als zuvor. Offenbar hatten sich die Wachen eine noch größere Ramme besorgt, mit der sie das Tor nun endgültig einzubrechen suchten.
    Aryanwen schloss die Augen, suchte die Umgebung und die Geräusche auszublenden. »Hört Ihr sie kommen?«, flüsterte sie weiter. »Die alten Traditionen sind nicht mehr. Ein ruchloser Verbrecher hat den Thron von Tirgaslan bestiegen, der gemeinsame Sache mit unseren Feinden macht. Erdwelt ist bedroht, meine Ahnin, wenn Ihr doch nur …«
    Ein neuerlicher Stoß erfolgte. Sie schreckte auf und wollte sich umdrehen, um zu sehen, ob das Tor bereits nachgegeben hatte, als ihr etwas auffiel: Unmittelbar vor ihr, zu Füßen der steinernen Figuren, die den Sarkophag schmückten, und unterhalb des Seitenreliefs, das das Begräbnis Königin Alannahs darstellte, war eine der marmornen Bodenplatten beiseitegeglitten!
    Darunter schien sich ein Schacht zu befinden, der in die dunkle Tiefe führte …
    Aryanwen sprang auf.
    War das wirklich möglich?
    Hatte sie die Platte zuvor übersehen? Oder hatte ihre Ahnin ihr tatsächlich Hilfe gewährt?
    Mit zitternden Beinen trat sie auf die Öffnung zu, um sich zu vergewissern, dass sie nicht doch einer Täuschung erlag. Aber die Öffnung war tatsächlich vorhanden, ebenso wie der Schacht, in dem eine in den Fels gehauene Treppe in die Tiefe führte.
    Wieder ein Stoß – Aryanwen hatte das Gefühl, dass der Boden unter ihren Füßen erzitterte.
    Sie dachte nicht lange nach. »Danke, liebe Ahnin«, flüsterte sie – dann raffte sie ihr Kleid und betrat den Schacht. Wohin er führte, wusste sie nicht, sie wollte nur fort. Und so stieg sie hinab, Stufe für Stufe.
    Noch einmal blickte sie sich um, als ein markerschütterndes Hämmern erklang, und im Halbdunkel glaubte sie, das Tor wanken zu sehen. Verzweifelt zerrte sie an der Steinplatte, schaffte es tatsächlich, sie zu bewegen. Knirschend fügte sich das Gestein in die Versenkung, die Geräusche über Aryanwen wurden plötzlich dumpfer. Der Weg zurück war ihr damit verschlossen, aber ihre Häscher würden ihr auch nicht folgen

Weitere Kostenlose Bücher