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Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war und irgendwie wertvoll erschien. Nur die Decke und der Kamin waren geblieben. Und die Statuen, die eine Beleidigung für jedes Zwergenauge waren, denn selbst die besten Steinmetze der Menschen konnten es bei Weitem nicht mit der Kunstfertigkeit der Zwerge aufnehmen.
    Am späten Nachmittag war Vigor eingetroffen, froh darüber, endlich am Ziel der Reise angelangt zu sein. Wie er hatte feststellen müssen, hatte sich Tirgaslan seit seinem letzten Besuch kaum verändert. Noch immer war es jene schäbige, von Schutzwällen durchzogene Ansammlung von Häusern, die sich von der Bucht im Süden bis an die Ausläufer Trownas erstreckte, auch der Krieg hatte daran nichts geändert; und der Königspalast erhob sich noch immer wie eine Rose auf einem Haufen Mist, ein letzter Nachhall alter elfischer Baukunst, obschon der Zahn der Zeit beträchtlich daran genagt hatte und unmissverständlich klar machte, dass die große Zeit dieser Stadt vorüber war.
    »General«, wiederholte Lavan und schürzte anerkennend die Lippen. »Wie es aussieht, ist Euch der König gewogen. Als wir uns zum ersten Mal begegneten, wart Ihr noch Obrist.«
    »Und Ihr noch ein ehrgeiziger Lehnsherr in den Diensten Tandelors«, konterte Vigor ungerührt. »Es hat sich viel geändert seit diesen Tagen.«
    »Darauf wollen wir trinken«, sagte Lavan und hob seinen Becher. »Wein aus dem Südreich, süß wie Honig.«
    »Gewöhnlich bevorzuge ich Bier«, stellte Vigor klar und griff ebenfalls nach seinem Gefäß, »aber zu besonderen Anlässen soll es mir recht sein. Auf Euer Wohl, Lavan, König von Tirgaslan.«
    »Auf das Eure, General – und auf meinen Erben und Sohn«, fügte Lavan hinzu, wobei seine kleinen grauen Augen zuversichtlich leuchteten.
    »Gewiss«, bestätigte Vigor mit einem Grinsen.
    Und beide tranken.
    »Und nun«, sagte Lavan, wobei er den Becher zurück auf den Tisch stellte, »sagt mir, weshalb Ihr tatsächlich gekommen seid.«
    Vigor betrachtete sein Gegenüber mit geübtem Blick. Weder entging ihm das Zucken in Lavans Augenwinkeln noch die Schweißperle, die auf die fliehende Stirn des Barons getreten war. Der König von Winmars Gnaden war unruhig, und tatsächlich hatte er auch allen Grund dazu.
    »Ihr wollt die Wahrheit erfahren?«, fragte Vigor.
    »Allerdings.«
    »Dann«, entgegnete der Zwerg und deutete zum Eingang, wo zwei Wächter in den Farben Tirgaslans standen, »schickt Eure Wachen hinaus. Was ich zu sagen habe, ist nur für Eure Ohren bestimmt.«
    »Ihr wollt, dass ich meine Wachen fortschicke? Erwartet Ihr im Ernst, dass ich Euch so weit vertraue?«
    »Was fürchtet Ihr? Ich bin nur ein Zwerg.«
    »Ihr seid weit mehr als das.« Lavan fuhr sich über das kahle Haupt. »Von allen Gegnern, die ich jemals hatte, seid ihr bei Weitem der Durchtriebenste.«
    »Gegner? Wer sagt, dass wir Gegner sind?«
    Lavans Augen verengten sich. »Was führt Ihr im Schilde?«
    »Schickt Eure Wachen hinaus, dann werdet Ihr es erfahren. Andernfalls …«
    Einen Augenblick starrte Lavan ihn durchdringend an. Dann schien seine Neugier zu obsiegen. »Also schön«, knurrte er und wies die beiden Wachen an, den Saal zu verlassen. Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, wandte er sich wieder seinem Besucher zu. »Und nun erklärt Euch«, verlangte er.
    »Wie Ihr wünscht.« Vigor nickte und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die kurzen Beine auf der Sitzfläche ausgestreckt wie ein Kind. »Ich wurde geschickt, um Euer Weib und Euren Sohn im Augenblick der Geburt zu meucheln und es wie eine tragische Fügung aussehen zu lassen.«
    Die Worte verhallten unter der hohen Decke, und einen Augenblick lang saßen die beiden Männer einander nur gegenüber und starrten sich an.
    Dann brach Lavan in schallendes Gelächter aus.
    Einen Augenblick lang wusste Vigor nicht, wie er darauf reagieren sollte. Fassungslos saß er da und schaute zu, wie sich der König von Tirgaslan ausschütten wollte vor Lachen und wie seine Leibesfülle unter dem seidenen Gewand dabei in Bewegung geriet. Und da ihm keine bessere Idee kam, fiel er schließlich in das Gelächter ein.
    So saßen sie einander gegenüber und lachten, und ihr Gelächter fachte sich noch gegenseitig an wie eine Feuersbrunst die andere. Und dann, so plötzlich, wie es sie überkommen hatte, verstummte das Gelächter wieder.
    »Was, wenn ich Euch sagte, dass ich es bereits wusste?«, fragte Lavan unvermittelt.
    »Ihr blufft.«
    Lavan lächelte.

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