Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
»Vor wenigen Tagen«, erklärte er dann, »hatte ich einen Traum. Gewöhnlich gebe ich nichts auf Träume, aber in diesem Fall war es anders. Eine Stimme sprach zu mir und warnte mich, dass jemand kommen würde, um meinen Erben zu töten – und als Ihr heute eintraft, gehörte nicht viel dazu, sich auszurechnen, wer dieser Jemand sein würde. Ihr habt Winmar schon immer die Drecksarbeit abgenommen.«
»Ich bin General der königlichen Armee und Oberhaupt der Geheimpolizei«, stellte Vigor klar, »und kein gemeiner Meuchelmörder.«
»Aber habt Ihr mir nicht gerade das anvertraut? Aber bemüht Euch nicht erst, Vigor – Ihr werdet weder mein Weib noch mein Kind in diesen Mauern antreffen.«
Vigor schnaubte verächtlich. »Glaubt Ihr denn wirklich, dass ich vorhabe, meinen Befehl auszuführen? Wäre es so, hätte ich Euch wohl kaum von meinem Auftrag berichtet.«
»Zugegeben.« Lavan nahm einen Schluck Wein, wobei er sein Gegenüber nicht aus den Augen ließ. »So klärt mich auf, was Ihr stattdessen vorhabt.«
»Um das zu verstehen, müsst Ihr wissen, was in Gorta Ruun vor sich geht.« Vigor sprang vom Stuhl und begann, in dem Zimmer auf und ab zu gehen. Das Kaminfeuer dehnte seine kurze, vom Umhang umwehte Gestalt zu einem langen Schatten.
Lavan hob eine Braue. »Und was, bitte sehr, geht in Gorta Ruun vor sich?«
»König Winmar ist dem Wahnsinn verfallen. Er findet Gefallen an irrwitzigen Dingen und hört nur noch auf den Rat dieser Speichellecker, die sich Heiler und Alchemisten nennen, in Wahrheit jedoch nichts als Zauberer sind. Mit ihrer dunklen Hexenkunst haben sie den Verstand des Königs benebelt.«
»Ich verstehe«, stellte Lavan gelassen fest. »Ihr habt Eure Vormachtstellung beim König eingebüßt – und nun sucht Ihr einen Schuldigen.«
Vigor blieb stehen und zeigte mit einem kurzen Finger auf Lavan. »Nicht ich war es, der den Tod Eures Kindes wollte, sondern die Alchemisten!«
»Sieh an. Dann habe ich wohl einen Grund, sie ebenfalls zu hassen. Und nun?«
»Das ist die Frage, nicht wahr?« Vigor nickte und strich sich über den roten Bart.
»Warum erzählt Ihr mir all das?«, fragte Lavan. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Ihr wollt … auf meine gewisse Erfahrung zurückgreifen.«
»Und wenn es so wäre?«
»Dann würde ich sagen, dass sich Eure kurzen Beine auf sehr dünnem Eis bewegen, Herr Zwerg. Schon der Gedanke an Königsmord ist Hochverrat, wie Euch bekannt sein müsste.«
»Dennoch wart Ihr unter denen, die sich gegen Euren Vorgänger Tandelor verschworen und ihn ermordet haben.«
»Weil es das Beste war für das Reich – und für mich«, gestand Lavan ohne Zögern.
»Und für das Zwergenreich wäre es am besten, wenn Winmar von Ruun nicht länger auf dem Thron der Äxte säße«, entgegnete Vigor, jedes einzelne Wort betonend.
»Und das aus Eurem Mund.«
»Nicht wahr?« Vigor nickte. »Ich habe stets an Winmar geglaubt, fast mein ganzes Leben habe ich in seinen Diensten zugebracht. Ich war davon überzeugt, dass er ausersehen sei, das Zwergenvolk nach Jahren des Niedergangs zu neuer Größe zu führen, und ich habe alles getan, um seine Macht und Herrschaft zu festigen.«
»Und? Hat er das nicht?«
»Durchaus«, gab Vigor zu. »Aber dann gab es Veränderungen.«
»Welcher Art?«
»Winmar selbst hat sich verändert. Er trifft Entscheidungen, die ich nicht verstehe, und tut Dinge, die ich nicht gutheißen kann. Statt wie früher auf meinen Rat zu hören, umgibt er sich mit Magiern und Alchemisten und vertraut ihren dunklen Künsten. Sie waren es auch, die ihm eingeredet haben, dass Euer Sohn eine Bedrohung für ihn darstellt.«
»Und Ihr denkt das nicht?«
»Ich denke«, wich Vigor der Frage aus, »dass Ihr ein wertvoller Verbündeter sein könntet.«
»Für wen?«
»Für mich«, eröffnete Vigor rundheraus – und provozierte damit einen weiteren Heiterkeitsausbruch Lavans.
»Schneid habt Ihr, das muss man Euch lassen«, anerkannte der König von Tirgaslan zwischen zwei weiteren Schlucken Wein. »Es ist noch nicht allzu lange her, da haben wir als erbitterte Gegner um Winmars Gunst gebuhlt.«
»Seither hat sich viel geändert. Ich habe erkannt, dass es zwischen uns mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt.«
»Nämlich?«
»Wir sind beide Männer mit Visionen«, eröffnete Vigor, »und wir sind bereit, uns mit Leidenschaft für das einzusetzen, was wir wollen. Wir wurden beide hintergangen«, fügte er ein wenig leiser hinzu, »und
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