Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
Gast heruntersah, »und zwar in zweifacher Hinsicht. Ehe ich einem Mann vertraue, der in seinen Folterkellern schon unzählige Menschen zu Tode gequält und dabei unverhohlenes Vergnügen empfunden hat, versuche ich mein Glück lieber mit König Winmar – bei ihm weiß ich wenigstens, woran ich bin.«
Vigor sog nach Luft, seine dunklen Augen weiteten sich. »Aber Winmar ist Euer erklärter Feind! Er wollte Euer Weib und Euer Kind ermorden lassen!«
»Weil er an meiner Loyalität zweifelt«, war Lavan überzeugt. »Dies wird sich jedoch grundlegend ändern, wenn ich ihm aus freien Stücken einen Hochverräter ausliefere. Wachen!«
Das letzte Wort war kaum verklungen, als die Tür bereits aufflog. Die beiden Wächter, die draußen gewartet hatten, stürmten herein, gefolgt von einem halben Dutzend weiterer Bewaffneter – ganz offenbar, dachte Vigor verdrießlich, hatten sie nur auf das Signal gewartet.
Er verzichtete auf einen Fluchtversuch, es wäre ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen, das er vermutlich mit dem Leben bezahlt hätte. Also blieb er reglos stehen, während Lavans Leute ihn einkreisten.
»Ihr habt mir eine Falle gestellt«, stieß er hervor.
»Wie ich schon sagte – ich war gewarnt«, beschied Lavan ihm mit einem Grinsen, für das Vigor ihn am liebsten gevierteilt hätte. »Werft ihn in den Kerker«, wies der König von Tirgaslan seine Leute dann an, während er sich wieder an den Tisch setzte und sich Wein einschenkte. »Ich werde später entscheiden, was mit ihm zu geschehen hat.«
»Das werdet Ihr bereuen!«, rief Vigor, während die Wachen ihn bereits hinausschleppten.
»Armer General Vigor.« Lavans Mundwinkel fielen in gespieltem Bedauern herab, während er dem Gefangenen hinterherprostete. »Einmal in Eurem Leben fasst Ihr Vertrauen – und werdet so bitter enttäuscht.«
19
U nd noch einmal, Genyra! Mit aller Kraft!«
Aryanwen hörte Achas Worte, aber sie wollte es nicht tun.
Nicht noch einmal pressen, nicht noch einmal das Gefühl haben, ihr Unterleib würde bersten, nicht noch einmal den grässlichen Schmerz. Alles in ihr sträubte sich dagegen, vielleicht auch, weil sie wusste, dass diese Welt nichts als Entbehrung, Unrecht und Kälte für das Kind bereithalten würde. Aber sie wusste auch, dass sie keine Wahl hatte.
So lange wie möglich hatte sie die Geburt ihres Kindes hinausgezögert. Mit eisernem Willen hatte sie durchgehalten und die Reise nach Elfenhain überstanden – doch nun, da die Königin und ihre Begleiterinnen die Siedlung im Wald erreicht hatten, die aus einem alten Tempel der Elfenzeit und einigen umgebenden Blockhütten bestand, gab es keinen Weg zurück mehr.
Sie biss die Zähne zusammen und presste noch einmal, spürte, wie der Schweiß an ihren Schläfen herabrann. Zwei Hebammen knieten hinter ihr und stützten ihren Rücken, während Acha und Mila darauf warteten, das neugeborene Kind in Empfang zu nehmen.
»Gut so, Genyra.« Achas Stimme klang beherrscht und ruhig wie immer. Aryanwen klammerte sich daran fest wie ein Ertrinkender, um im Sog der Schmerzen nicht unterzugehen. Sie atmete schnell und heftig, dankbar für die kurze Pause, die ihr vergönnt war. Aber noch war es nicht überstanden. »Jetzt, Genyra! Noch einmal!«
Aryanwen presste. Und mit einem Mal war es ihr egal, wie heftig der Schmerz sein oder ob ihr Unterleib dabei zerreißen mochte. Alles, was sie wollte, war, das Leben in ihr endlich zur Welt zu bringen.
»Gut so, Genyra! Ich kann den Kopf bereits sehen!«
Aryanwen presste noch einmal.
Und noch einmal.
Ihren Schmerz brüllte sie laut hinaus, sodass es weithin hörbar durch die Hallen des Lebenstempels scholl – und im nächsten Augenblick lösten sich all der Druck und die Pein, die Furcht und die Verzweiflung auf.
»Es ist geschafft, Genyra!«
Aryanwen verstummte jäh – und statt ihres schmerzerfüllten Schreis war ein anderer Ruf zu vernehmen. Einer, der zunächst noch heiser und zaghaft klang, dann aber immer lauter wurde und von einem neuen Leben kündete.
»Es … es ist ein Mädchen, Genyra!«
Aryanwen wusste nicht, was sie empfinden sollte.
Sie war nicht fähig zu sprechen. Erleichterung, Freude, Dankbarkeit, all das brach gleichzeitig über sie herein und erfüllte sie mit einer Wärme und Zufriedenheit, wie sie sie noch vor Augenblicken für unmöglich gehalten hätte. Sie schloss die Augen, zugleich erschöpft und unsagbar glücklich. Dann streckte sie die Arme aus.
»Hier, Genyra.« Acha trat zu ihr,
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