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Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ein kleines, in weiße Tücher gewickeltes Bündel im Arm. Sie lächelte, als sie es Aryanwen überreichte. »Gut gemacht, Manam.«
    Manam.
    Mutter.
    Erstmals so genannt zu werden und gleichzeitig das Kind, das sie die ganze Zeit über in sich getragen hatte, in ihren Armen zu halten, war so überwältigend, dass Aryanwen ihre Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Dennoch kämpfte sie dagegen an.
    »Sei unbesorgt«, raunte Acha ihr zu. »Nichts von dem, was im Lebenstempel geschieht, wird den Lebenstempel je verlassen. Hier brauchst du keine Königin zu sein, nur eine liebende Mutter.«
    Die Worte ließen alle Dämme brechen. Ungehemmt rannen die Tränen über Aryanwens gerötete Wangen. Die Erschöpfung und der überstandene Schmerz entluden sich ebenso darin wie Aryanwens Dankbarkeit und ihre Erleichterung. Und als sie mit bebenden Händen das Tuch zurückschlug und ihr Kind zum allerersten Mal erblickte, schien alles andere plötzlich bedeutungslos zu sein.
    Sie sah nur das kleine, vom Schreien gerötete Gesichtchen und die Unschuld, die aus den dunklen Augen sprach, und alles, was sie empfand, war Liebe. Von einem Moment zum anderen war ihr klar, dass sie bis zum letzten Atemzug für dieses winzige Wesen da sein, dass sie alles unternehmen würde, damit es in Frieden und Geborgenheit aufwuchs. Und dann begriff sie, an wen sie die edel geschnittenen Züge und die hohe Stirn erinnerten.
    Der Gedanke an Dag versetzte ihr einen Stich, aber sie empfand keine Bitterkeit. Sie wusste, dass Daghan sich immer eine Tochter gewünscht hatte, und es kam ihr wie wunderbar ausgleichende Gerechtigkeit vor, dass es kein Junge geworden war, wie Lavan überzeugt gewesen war. Wie hätte der falsche König es auch wissen sollen? Es war schließlich nicht sein Kind, das sie zur Welt gebracht hatte.
    Nicht einmal der Gedanke an ihren finsteren Gemahl konnte Aryanwens Freude trüben. Im Augenblick war Lavan weit weg, und ihre Gedanken und ihre Liebe gehörten allein ihrer noch jungen Familie, ihrer kleinen Tochter und ihrem Vater, und alles, was sie sich wünschte, war, dass Daghan in diesem Moment hier hätte sein können, um das Glück mit ihr zu teilen …
    Mit einem Aufschrei fuhr Dag aus dem Schlaf.
    Er fand sich am Boden kauernd, wie immer von abgründiger Dunkelheit umgeben. Wo war er? Alter Gewohnheit folgend, blickte er sich gehetzt um. Erst, als er das Knacken des Lagerfeuers hörte und den Schrei eines Kauzes, wurde ihm klar, wo er sich befand, und die Erinnerung kehrte zurück.
    Er entspannte sich ein wenig und wärmte sich an den Flammen. Doch die Bilder, die er im Traum gesehen und die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten, blieben vor seinem inneren Auge bestehen, so verwirrend, wie sie gewesen waren.
    »Du hast es gefühlt«, sagte Dwethan, der die erste Wachschicht übernommen hatte und ihm auf der anderen Seite des Feuers gegenübersaß.
    Dag legte die Stirn in Falten. »Was gefühlt?«
    »Es ist geschehen«, sagte der Alte. »Die Königin hat ihr Kind zur Welt gebracht.«
    Dag erwiderte nichts, starrte nur mit offenem Mund in die Richtung des Alten. Genau das war es gewesen, was er geträumt hatte. Das Kind war zur Welt gekommen, in einem Wald, diesem nicht unähnlich, inmitten eines schützenden Hains.
    »Was ist? Freust du dich nicht? Du bist soeben Vater geworden. Und Mutter und Kind sind wohlauf.«
    »Doch, natürlich freue ich mich«, versicherte Dag und kam sich vor wie ein Idiot. »Aber woher wisst Ihr …?«
    »Es geht ihnen gut, das ist alles, was du wissen musst«, erwiderte Dwethan, den Dags Verwirrung zu amüsieren schien.
    »U-und ist es …? Ich meine …«
    »Es ist ein Mädchen. Du bist stolzer Vater einer Tochter, ich gratuliere.«
    »Ei-einer Tochter«, echote Dag – und fühlte unendliche Erleichterung.
    Sosehr er sich darauf gefreut hatte, dereinst Kinder zu haben, sosehr hatte er sich davor gefürchtet, dass es ein Junge sein und er ebenso unter dem väterlichen Ehrgeiz leiden könnte, wie er selbst es stets getan hatte. Sein ganzes Leben lang hatte Dag versucht, seinem Vater ein guter Sohn zu sein und ihn mit Zufriedenheit und Stolz zu erfüllen – und war kläglich gescheitert. Bei einem Mädchen jedoch sah er diese Gefahren nicht, zumal er die Einsicht gewonnen hatte, dass Frauen Männern in jeder Hinsicht ebenbürtig und auf manche Weise sogar überlegen waren. Dennoch …
    »Was hast du?«, fragte Dwethan, als er merkte, wie Dags Miene sich eintrübte.
    Dag schüttelte den Kopf.

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