Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
gereift war. »Wenn es dort Überlebende gibt, muss ich ihnen helfen.«
»Das kannst du vergessen«, blaffte Rammar. »Es sind noch mehr Kriegstrupps im Wald unterwegs. Sie alle sind hinter deinem Kind her – und noch einmal werden wir dir und dem Balg ganz sicher nicht helfen.«
»Sie sind hinter uns her?« Aryanwen blickte auf das Mädchen, das soeben aufwachte. »Aber warum? Und wer hat den Befehl dazu erteilt? Winmar?«
»Glaubst du, das interessiert mich?« Rammar schüttelte den hässlichen Schädel. »Wenn ich eines gelernt habe, dann dass es in diesen Zeiten gefährlich ist, zu viele dämliche Fragen zu stellen. Also entweder kommt du und dein Elfenbalg jetzt mit uns, oder ihr lasst es bleiben und seht, wo ihr bleibt, korr? Balbok und ich machen uns jetzt jedenfalls aus dem Staub.«
»Ich komme mit euch«, versicherte Aryanwen ohne Zögern.
»Shnorsh«, maulte Rammar. »Ich habe geahnt, dass du das sagen würdest.«
Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, setzte sich der dicke Unhold in Bewegung und stampfte davon. Aryanwen war klar, dass sie ihm folgen musste, wenn sie am Leben bleiben wollte, dennoch zögerte sie. Das Kind auf dem Arm, ging sie einige Schritte, dann wandte sie sich noch einmal um, blickte in die Richtung, in der sie jenseits des Dickichts und der Bäume die schwelenden Trümmer von Elfenhain wusste.
»Douk«, sagte Balbok und schüttelte den Kopf. »Tu das nicht.«
»Was soll ich nicht tun?«
»Zurückblicken. Orks blicken nie zurück.«
»Ich bin kein Ork«, brachte Aryanwen in Erinnerung, »und mein Kind ebenfalls nicht.«
»Korr«, gab der hagere Unhold zu, »aber in diesen Tagen könnte es helfen, einer zu werden.«
4
D as Zischen hatte aufgehört.
Bertin wartete noch einen Augenblick ab, dann wagte er einen vorsichtigen Blick. Bäuchlings auf dem nackten Felsen liegend, schob er sich vor bis zur Abbruchkante und spähte darüber hinweg in die Tiefe.
Tatsächlich – sie hatten angehalten.
Vier Kaldronen.
Bertin hasste sie, die kugelförmigen Kampfkolosse auf ihren kurzen, stählernen Beinen. Wie kaum etwas sonst in Gorta Ruun standen sie für Winmars Macht und Willkür. Bertin wusste nicht, was die gepanzerten Maschinen antrieb, welcher Stoff es war, der sie dampfen und zischen ließ. Aber er wusste, dass sie der Feind waren, den es zu bekämpfen galt.
»Seid ihr bereit?«, fragte er flüsternd über die Schulter.
Seine Gefährten, allen voran der getreue Dado, nickten entschlossen – ausgemergelte, in Fetzen gekleidete Gestalten, entstellt an Körper und Seele. Sie alle hatten Winmars grausame Macht zu spüren bekommen, waren von seinen Schergen gefoltert worden oder hatten Familienmitglieder verloren, waren ausgestoßen und geächtet. Rechtschaffenheit und Ehre, die Pfeiler, auf denen das Zwergenreich über Jahrhunderte gestanden hatte, schienen nichts mehr zu gelten in Gorta Ruun. Nur noch Winmars Wille zählte, und wer sich ihm widersetzte oder auch nur seinen Unmut äußerte, der wurde hart bestraft.
Lange Zeit hatte Bertin seine Augen vor dieser Wahrheit verschlossen, auch dann noch, als sein Vater durch einen Urteilsspruch Winmars beide Hände verlor und mittellos wurde; der Tod seines Bruders im Kessel jedoch hatte ihm klargemacht, dass er nicht länger untätig bleiben durfte und das Unrecht bekämpfen musste – auch wenn seine Gefährten und er dabei alles riskierten. Ein Widerständler, der gefasst wurde, hatte keine Gnade zu erwarten, der Tod im Kessel war ihm sicher. Bertin konnte nicht behaupten, dass ihm diese Aussicht gefiel, aber sein Hass auf Winmar und seine Kaldronen war stärker als alle Furcht, jedenfalls in diesem Augenblick.
Noch einmal spähte er prüfend hinab.
Die Kaldronen standen noch immer auf der Plattform, die rund fünfzig Klafter unterhalb des Abbruchs aus der ansonsten senkrecht abfallenden Felswand ragte und von der aus eine steinerne Brücke zur anderen Seite der Schlucht führte. Die Decke des gewaltigen Schachts war nicht zu erkennen, ebenso wenig wie sein Grund – die Laternen der Kaldronen reichten bei Weitem nicht aus, um das gesamte Gewölbe zu beleuchten. Aber sie genügten, um das Ziel klar ins Auge zu fassen.
Mit grässlichem Rasseln und Scheppern setzten sich die Kampfkolosse wieder in Bewegung. Ursprünglich waren sie gebaut worden, um auf den Schlachtfeldern gegen Menschen und andere Feinde des Reiches eingesetzt zu werden, doch seit dem Ende des Krieges waren sie verstärkt auch in Gorta Ruun
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