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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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und setzte sich auf ihre Hand. »Er bringt Neuigkeiten«, sagte sie nur, »aus der Wüste.«
    La Sombría trat neben ihre Schwester und berührte ganz behutsam ihr Gesicht, so zärtlich, als sei es ihr eigenes. Die Stellen, die nur Papier und Buchstaben waren, bewegten sich wie welkes Laub, als sie sie mit ihren Schattenfingern streichelte.
    »Dann werden wir es zu einem Ende bringen«, flüsterte jetzt leise auch Agata la Gataza.
    Sarita Soleado spürte mit einem Frösteln, dass das alte Herz, das nun Finsternis war, niemals so hätte schlagen dürfen. Sie dachte an ihre Tochter und die bittere Gewissheit, dass die Herrin von Malfuria die Seiten gewechselt hatte, ließ sie auf einmal nur furchtsam und ratlos in dem wirbelnden Sturm aus Rabenfedern zurück.

Zahara
    Jordi stand vor dem Pájaro und dachte ans Fliegen.
    Das kleine Fluggerät hing in der Landebucht tief im Bauch des Falken. Sein Vater hatte es Kolibri genannt.
    Vorsichtig strich Jordi über das Holz, das noch immer glänzte und sich ganz warm anfühlte. Zwischen den Gerippen aus hölzernen Verstrebungen spannte sich fester Stoff, sie bildeten zusammen mit den Scharnieren und Schrauben und Gestängen die beiden flink vibrierenden Schwingen.
    Jordi sah hinaus. Die Luke in der Landebucht war riesig und gab den Blick frei auf das, was dort draußen vorbeizog.
    Die Wüste war hier wie ein Glutofen und die Sonne ließ flimmernde Gespenster über die endlosen Dünen tanzen. Es war eine gleißende, heiße Zeitlosigkeit, die man Zahara nannte und in der keine Spur der Finsternis lebte.
    Das Licht, von dem es unendlich viel gab, reichte bis zum Horizont, so hell, dass Jordi selbst im Inneren des Falken davon geblendet wurde. Er hätte Cortez nach einer Fliegerbrille fragen sollen, so schimmernd war alles.
    Es war nun schon einige Stunden her, dass sie die Wüstengrenze erreicht hatten. Die Zeit verrann hier draußen wie Sand im Stundenglas. Jordi hatte lange im Ausguck gesessen, in die Leere geschaut und versucht, eine Entscheidung zu treffen. Irgendwann waren ihm vor Erschöpfung die Augen zugefallen, doch bevor er endgültig einschlafen konnte, war er hierhergekommen und nun war er hellwach.
    Er blinzelte ins Licht, und obwohl er es niemals geglaubt hatte, sehnte er sich mit einem Mal mit aller Macht nach der Dunkelheit.
    Denn er wusste, dass das die einzige Möglichkeit blieb, zu Catalina zu gelangen.
    Gedankenverloren trat er einen Schritt zur Seite und betrachtete, wie sein Schatten es ihm gleichtat. Wenn ein Harlekin ihn jetzt zu fassen bekäme, dann wäre dieser Schatten hier das Einzige, was von ihm übrig bliebe. Dann könnte er in die Schattenstadt gehen, nur so war es möglich.
    Jordi erinnerte sich daran, wie sich der Moskitoflieger angefühlt hatte, als sie ihn über Bord geworfen hatten. Wie ein nasser Sack war er in die Tiefe gefallen, ein toter Körper, nichts als Ballast.
    Wenn er sich für die Schattenstadt entschied, entschied er sich dann für das Sterben?
    War das der sichere Tod?
    Jordi strich abermals über den Pájaro, eine Mischung aus Dampfmaschine und Motorflieger. Ein Steuerknüppel aus hellem Holz ragte aus dem Cockpit hervor. Er zögerte, doch dann kletterte er hinein.
    Er hatte keine Erfahrung, wie man dieses Gerät flog. Kopernikus hatte den Kolibri gelenkt, als sie aus Barcelona geflohen waren, aber Jordi hatte beobachtet, wie er es angestellt hatte, das kleine Ding in der Luft zu halten. Er wusste genau, was er gemacht hatte; hatte sich gemerkt, welche Hebel Kopernikus betätigt hatte. So gut, dass er sich zutraute, den Kolibri zu fliegen.
    Er prüfte die Hebel und untersuchte die Flügel.
    »Du wirst mich doch nicht enttäuschen?«, flüsterte er dem hölzernen Kolibri zu.
    Er musste lachen.
    Die Sonne warf ihr sengendes Licht auf das Blechdach des Falken und mit einem Mal schienen die Zweifel wie fortgewischt.
    Er war sich nun ganz sicher, dass die Flucht in die Wüste nicht sein Weg war. Er hoffte so sehr, sie würde dem Falken und seinen Freunden Zuflucht bieten, einen sicheren Schutz vor den Schatten. Aber er – er hatte eine andere Wahl getroffen. Er würde den Pájaro nehmen und auf eigene Faust die Schatten suchen. Nur so konnte er endlich zu Catalina gelangen.
    Jordi stieg wieder aus und sah sich in dem wilden Durcheinander um, das in der Landebucht herrschte. Alles, was Kamino und Cortez nicht fest angebunden hatten, war während der hastigen Flucht aus Lisboa wild durcheinandergewirbelt worden.
    Er würde Wasser

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