Die Königin der Weißen Rose
verunstaltet durch einen scheußlichen Bart. «Geht es dir gut?», frage ich, ziemlich schockiert über seine äußere Erscheinung.
«Es ging mir niemals besser», sagt er unbekümmert.
«Hast du von unserem Bruder Anthony gehört?», frage ich. «Und von meinem Sohn Richard Grey?»
Er nickt, plötzlich ernst. «Ich habe es heute Morgen erfahren. Auch deswegen bin ich hergekommen. Es tut mir leid, Elizabeth, es tut mir unendlich leid für deinen Verlust.»
«Du bist jetzt Earl Rivers», sage ich. «Der dritte Earl Rivers. Du bist das Oberhaupt der Familie. Scheint, als würden wir die Köpfe unserer Familie recht zügig verschleißen. Bitte, behalt du den Titel eine Weile länger.»
«Ich will tun, was ich kann», verspricht er. «Gott weiß, ich habe den Titel von zwei guten Männern geerbt. Ich hoffe, ihn länger zu halten, aber ich bezweifle, dass ich es besser machen kann als sie. Wie auch immer, wir stehen kurz vor einem Aufstand. Hör mir gut zu. Richard fühlt sich mit der Krone auf dem Kopf sicher, er will auf Rundreise gehen, um sich in seinem Königreich zu zeigen.»
Ich muss an mich halten, um nicht ins Wasser zu spucken. «Ich frage mich, ob seine Pferde die Dreistigkeit besitzen, sich vom Fleck zu rühren.»
«Sobald er London verlassen hat und seine Garde mit ihm, stürmen wir den Tower und holen Edward heraus. Der Duke of Buckingham ist auf unserer Seite, ich vertraue ihm. Er muss mit König Richard reisen, und der König wird auch Stanley zwingen, ihn zu begleiten, denn er zweifelt immer noch an ihm. Aber Lady Margaret wird in London bleiben und Stanleys Männern und ihren eigenenVerwandten befehlen, sich uns anzuschließen. Sie hat ihre Männer schon im Tower platziert.»
«Werden wir genug Männer haben?»
«Fast hundert. Der neue König hat Sir Robert Brackenbury zum Kommandanten des Towers ernannt. Brackenbury würde niemals einem Jungen, der unter seiner Obhut steht, ein Haar krümmen – er ist ein guter Mann. Ich habe neue Diener in die königlichen Gemächer bestellt, Männer, die mir die Türen öffnen, wenn ich es ihnen befehle.»
«Und dann?»
«Wir bringen dich und die Mädchen nach Flandern. Deine Söhne Richard und Edward sollten uns begleiten», sagt er. «Hast du Nachricht von den Männern, die Prinz Richard fortgebracht haben? Ist er sicher in seinem Versteck?»
«Noch nicht», sage ich gereizt. «Ich erwarte jeden Tag eine Nachricht. Inzwischen hätte ich hören müssen, dass er in Sicherheit ist. Ich bete jede Stunde für ihn. Längst hätte ich etwas hören müssen.»
«Vielleicht ist ein Brief verloren gegangen, das heißt nichts. Wenn etwas schiefgegangen wäre, hätten sie gewiss Nachricht geschickt. Und denk nur: Du kannst Richard auf dem Weg zu Margarets Hof in seinem Versteck abholen. Sobald du deine Söhne wiederhast und ihr in Sicherheit seid, stellen wir unsere Armee auf. Buckingham wird sich zu uns bekennen. Lord Stanley und seine ganze Sippe stehen auf unserer Seite, hat uns seine Gattin, Margaret Beaufort, versprochen. Die Hälfte von Richards Lords ist dem Duke of Buckingham zufolge bereit, sich gegen ihn zu wenden. Lady Margarets Sohn, Henry Tudor, wird in der Bretagne Waffen und Männer ausheben und über Wales einfallen.»
«Wann?», flüstere ich.
Er sieht sich um. Auf dem Fluss herrscht wie immer reges Treiben, Schiffe kreuzen, kleine Frachtjollen fädeln sich zwischen den größeren Booten durch. «Herzog Richard …» Er unterbricht sich und grinst mich an. «Verzeih, ‹König Richard› wird Ende Juli zu seiner Rundreise aufbrechen. Wir eilen sofort zu Edwards Rettung und geben euch beiden genug Zeit, euch in Sicherheit zu bringen, sagen wir, zwei Tage, dann werden wir uns erheben, während der König auf Reisen ist.»
«Und unser Bruder Edward?»
«Edward rekrutiert Männer in Devon und Cornwall. Dein Sohn Thomas ist in Kent unterwegs. Buckingham wird Männer aus Dorset und Hampshire bringen, Stanley seine Sippschaft aus den Midlands, und Margaret Beaufort und ihr Sohn können im Namen der Tudors Wales erheben. Alle Männer des Hofes deines Gemahls sind fest entschlossen, seine Söhne zu retten.»
Ich knabbere an meinem Finger, denke, wie mein Gatte gedacht hätte: Männer, Waffen, Geld und breite Unterstützung im Süden Englands. «Es reicht, wenn wir Richard schlagen können, bevor er seine Männer aus dem Norden herbeiholt.»
Er grinst mich an, verwegen wie ein Rivers. «Es reicht, und wir haben alles zu gewinnen und nichts zu
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