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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Besitzer des Bootes alles versprechen – alles!   –, wenn er nur sein kleines Boot aussetzt und sie nach Flandern bringt. Ich sehe, wie Edward seinen prächtigen Pelzmantel ablegt und ihn als Bezahlung anbietet. «Nehmt ihn, er ist mindestens doppelt so viel wert wie Euer Boot. Nehmt ihn, ich werde es als Dienst betrachten.»
    «Nein», rufe ich im Schlaf. Edward verlässt mich, verlässt England. Er verlässt mich und bricht sein Wort, zur Geburt unseres Sohnes bei mir zu sein.
    Das Meer ist rau, weiße Schaumkronen tanzen auf den dunklen Wellen. Das kleine Boot steigt auf und ab, rollt zwischen den Wellen, Wasser schwappt über den Bug. Es scheint unmöglich, dass es die Spitze der Wellenberge erklimmt, und dann kracht es hinunter in die Wellentäler. Edward klammert sich haltsuchend am Heck fest, wird hin- und hergeworfen, schaut zurück auf das Land, das er sein Eigen genannt hat, hält Ausschau nach den Fackeln der Männer, die hinter ihm her sind. Er hat England verloren. Wir haben England verloren. Er hat Anspruch auf den Thron erhoben und wurde zum König gekrönt. Er hat mich zu seiner Königin gemacht, und ich habe geglaubt,wir hätten gesiegt. Er hat nie eine Schlacht verloren, aber Warwick war zu schnell und zu doppelzüngig für ihn. Edward geht ins Exil, wie Warwick einst. Er fährt hinaus in einen tosenden Sturm, wie Warwick einst. Aber Warwick ging direkt zum König von Frankreich und fand dort einen Verbündeten und eine Armee. Ich weiß nicht, ob Edward je zurückkehren wird.
    Warwick ist wieder an der Macht, und jetzt sind mein Gatte und mein Bruder Anthony und mein Schwager die Flüchtlinge, und Gott weiß, welcher Wind sie je wieder zurück nach England wehen wird. Die Mädchen und ich und das Kind in meinem Bauch sind die neuen Geiseln, die neuen Gefangenen. Im Augenblick mag ich mich noch in den königlichen Gemächern im Tower aufhalten, doch bald werde ich in die Räume darunter ziehen müssen, wo die Fenster vergittert sind. König Henry wird wieder in diesem Bett schlafen, und ich werde diejenige sein, über die die Leute sagen, man solle mich aus christlicher Nächstenliebe freilassen, damit ich nicht im Gefängnis sterbe, ohne den freien Himmel zu sehen.
    «Edward!» Ich sehe, wie er aufschaut, fast, als könnte er hören, wie ich im Schlaf nach ihm rufe. «Edward!» Ich kann nicht glauben, dass er mich verlässt, dass wir unseren Kampf um den Thron verloren haben. Mein Vater hat sein Leben geopfert, damit ich Königin werden kann, mein Bruder ist an seiner Seite gestorben. Sind wir jetzt nichts als Thronprätendenten, die nach einigen Jahren des Glücks wieder weggeschickt werden? Ein König und eine Königin, die sich übernommen haben und deren Glücksstern sich neigt? Werden meine Mädchen die Töchter eines Verräters sein? Werden sie kleine Junker auf Landgütern heiraten und hoffen, dass die Schande ihres Vaters in Vergessenheit gerät? Wird meine Mutter Margarete vonAnjou auf Knien begrüßen und hoffen, sich wieder in ihre Gunst einzuschmeicheln? Werde ich die Wahl haben zwischen einem Leben im Exil und einem Leben im Gefängnis? Und was wird aus meinem ungeborenen Sohn? Wird Warwick ihn am Leben lassen – er, der seinen Enkel und einzigen Erben verloren hat, als wir die Tore von Calais vor ihm verschlossen haben, sodass seine Tochter ihr Kind auf dem stürmischen Meer verlor, während der Wind einer Hexe sie fast gegen das Land schmetterte?
    «Edward! Verlass mich nicht!», schreie ich laut, und der Schrecken in meiner Stimme weckt mich vollends auf. Nebenan zündet meine Mutter am Feuer eine Kerze an und öffnet die Tür. «Kommt es? Das Kind? Kommt es zu früh?»
    «Nein. Ich hatte einen Traum, Mutter. Ich hatte einen entsetzlichen Traum.»
    «Na, na, das ist doch nicht schlimm», sagt sie tröstend, zündet an meinem Bett weitere Kerzen an und schürt das Feuer. «Du hast nur geträumt. Jetzt kann dir nichts mehr passieren.»
    «Wir sind nicht in Sicherheit», widerspreche ich mit Gewissheit. «Darum geht es ja gerade.»
    «Warum, was hast du denn geträumt?»
    «Edward war auf einem Schiff in einem Sturm. Es war Nacht, bei starkem Wellengang. Ich weiß nicht einmal, ob sein Schiff durchkommt. Es ist ein tückischer Wind, der nichts Gutes verheißt, Mutter, er musste sich diesem tückischen Wind stellen. Es war unser Wind. Es war der Sturm, den wir herbeigerufen haben, um George und Warwick wegzublasen. Wir haben ihn heraufbeschworen, aber er hat sich nicht gelegt.

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