Die Koenigin der Wolle
Flucht gelungen ist - was haltet ihr von einem Absacker in einem Pub?” Sean Cranstons Laune hatte sich weiter gebessert, seit die Freiheit und Anonymität der Nacht ihn wiedergewonnen hatten.
„Ein andermal, Sean. Ich habe die Mutter aller Kopfschmerzen und freue mich nur noch auf eine Tablette und völlige Dunkelheit in meinem Schlafzimmer.” Wie zum Beweis verzog Alexander sein Gesicht und berührte seine rechte Schläfe. Er wusste sehr wohl, dass er den Begriff Notlüge damit arg strapazierte, wollte jedoch auch nicht unhöflich einem alten Freund gegenüber sein. Wenn Sean in Hochstimmung käme, würde er für den Rest des Abends haltlos mit Rosalind flirten. Dies galt es zu verhindern.
„Okay, alter Knabe. Ruh’ dich aus.” Ein smartes Lächeln in Roses Richtung. „Falls Sie mal einen netten Abend mit einem reiferen Mann verbringen wollen, der nicht von Alterszipperlein geplagt wird - meine Nummer steht sicher in Alex’ Telefonregister.” Cranston zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Rosalind nickte stumm. Die unverfrorene Art des Schriftstellers hatte sie perplex gemacht.
„Kommt gar nicht infrage”, antwortete Alex für sie und schob sie sanft in Richtung der wartenden Taxen.
„Warum hast du nicht gesagt, dass du Kopfschmerzen hast?” wollte Rosalind auf der Fahrt zu Alexanders Wohnung besorgt wissen.
„Weil das eine Notlüge war. Ich wollte den Abend nicht mit Sean, sondern mit dir verbringen.”
Diesen Vorwand konnte Rosalind ohne Weiteres gelten lassen. Auch in dieser Nacht erlag sie den Verführungskünsten des Mannes, der sich wieder mit der Geschmeidigkeit und Eleganz eines Raubtiers an ihren Körper heranpirschte und ihr zuerst einen Kuss, dann ihren Willen und zum Schluss ihre Tugend stahl.
***
Als Janice am Montagmorgen die Ladentür aufsperrte, erwartete sie eine Überraschung. Nicht die angenehme Art von Überraschung, über die man sich mit geröteten Wangen und glänzenden Augen freute. Es war eher die Art von Überraschung, nach der man sich in seinem Bett verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen wollte.
„Sind Sie Rosalind Fielding?”, riefen mindestens fünf Männer auf einmal.
„Wie stehen Sie zu Alexander Sterling?”
„Seit wann sind Sie mit ihm zusammen?”
„Wo haben Sie sich kennen gelernt?”
Zu all diesen Fragen klickten unablässig Fotokameras.
„Ich kenne Ihren Mr Sterling kaum. Und jetzt verpissen Sie sich gefälligst, Sie schrecken die Kunden ab!”
Dieser Anraunzer war weit davon entfernt, irgendeine Wirkung zu zeigen. Im Gegenteil, einige Reporter und ihre Fotografen folgten Janice sogar in den Laden.
Als ihre Blicke Sekunden später auf Rosalind fielen, ging das Klicken und Fragen von vorn los. Die Meute bedrängte sie so sehr, dass Janice sich schnell mit dem Telefon ins Hinterzimmer verdrückte und die Polizei rief, die wenige Minuten später mit Sirenengeheul eintraf, um die Lage zu entschärfen.
Das Resultat dieses Überfalls war, dass sich an diesem Montag nur eine Handvoll Kundinnen in das Geschäft verirrte und Rosalind Fielding in Windeseile zum Stadtgespräch wurde. Während Janice diese Tatsache mit endlosen Schimpftiraden quittierte, saß Rose selbst in Tränen aufgelöst in einer Ecke und fragte sich, wieso die Boulevardpresse plötzlich auf sie aufmerksam geworden war. Alexander konnte erst am Abend nach Reading kommen, weil ihn ein geschäftlicher Termin mit seiner Lektorin den ganzen Tag über in London festhielt.
„Woher wissen die, wer ich bin und wo sie nach mir suchen müssen?” Rose hatte den Laden an diesem Tag sehr früh geschlossen und sich auf ihre Couch verkrochen. Auch Stunden nach der Belagerung durch die Reporter und Fotografen hatte sie nicht aufgehört, gelegentlich zu schluchzen und in Tränen auszubrechen.
„Ich weiß es nicht. Die haben ihre Spione doch überall. Wer weiß, wer ihnen die Information gesteckt hat. Mach’ dir nicht so viele Sorgen, das wird schon wieder. Innerhalb von höchstens zwei Wochen haben die dich und mich vollkommen vergessen und jemand anders ist wichtiger.” Alexander nahm sie in die Arme und vergrub sein Gesicht in ihren wilden Locken. Er hoffte inständig, dass er Recht behielt. Die wirtschaftlichen Folgen für ein kleines Geschäft wie Rosalinds waren verheerend, wenn über mehrere Wochen die Kundschaft ausblieb. Ganz zu schweigen von dem, was ihre Familie über sich ergehen lassen musste. Er war sich sicher, dass Duncan Fielding nicht immer sanft wie
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