Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
bevölkert gewesen war; zumindest meine Abholung musste bemerkt worden sein, und das beruhigte mich. Dann sah ich den schlichten Verschlusskniff eines ölzeuggelben Packsacks vor mir, genial in seiner Schlichtheit, ein Wulst aus zwei ineinander gedrehten Lagen der Abschlusskante, gehalten nur durch den Zug der Verschlussspange, und sagte mir, dass ich ein anderes Leben bräuchte. Das wiederholte ich, leider war der Satz sehr kurz, kaum zu gebrauchen, um ihre Stimmen zu übertönen.
Ich hörte sie also, und das Schiff ließ meinen Körper spielerisch hin- und herrollen. Das Anonyme sei schön, sagte der eine, die Vorstellung, einfach nur ein Loch zu benutzen. Doch dann stünde der Mund nicht zur Verfügung, sagte der andere, und überhaupt denke er, dass es ganz interessant sei, das Gesicht dabei zu sehen; schließlich zogen sie mir den Sack vom Oberkörper, wobei sie die Fesselung schmerzhaft nach oben rissen, und ich erkannte, dass ich im Badezimmer lag. Duncan stand in der Tür und blickte mild lächelnd und allmächtig auf mich herab. Das reiche, sagte er, und dass man mich losbinden solle. Die Männer gehorchten, doch war offensichtlich, dass sie sich mehr erhofft hatten, die Idee einer risikofreien Gruppenvergewaltigung hatte sie anschwellen lassen unter den Verschlussleisten ihrer Privatarmeeuniformhosen. Sie rollten meinen Körper zur Seite und versuchten den Gurt zu lösen, was mehrerer Anläufe bedurfte, schließlich durchschnitt ihn einer der beiden. Ihre überraschende Ungeschicklichkeit erfüllte mich mit einer gewissen Befriedigung, sie lenkte mich davon ab, dass ich mir jetzt, ohne den Sack, erst recht vorkam wie der zur prüfenden Ansicht freigelegte Paketinhalt eines gewinnversprechenden Lagerbestandes.
Während die Privatarmee zögernd zur Tür ging, um für alle Fälle einmal den Ausgang zu bewachen, kam Duncan auf mich zu und griff nach einem meiner Unterarme, begutachtete die Druckstellen und begann, sie vorsichtig zu reiben. Ich schlug ihm ins Gesicht, was er kurz auflachend hinnahm; als die Sicherheitsmänner ihm reflexartig zu Hilfe kommen wollten, winkte er ab. Solche Geschichten haben wir nicht nötig, sagte Duncan, was denkst du? Obwohl das Badezimmer der richtige Ort dafür wäre, fügte er ein wenig keckernd hinzu, da könnte man den Dreck nachher gleich abwaschen. Bei dem Sack, das sah ich jetzt, handelte es sich im übrigen um einen der vom Bordpersonal benutzten Wäschesäcke, ungeeignet, nehme ich an, um einen Körper darin zu versenken.
Die Nacht überstand ich zitternd. Am nächsten Morgen verlangte ich die sofortige und alleinige Abreise, er hinderte mich nicht, er wirkte sogar ein wenig verunsichert, als er sagte, er hoffe doch, ich würde ein wenig Spaß verstehen.
16
Ich zog mich in die Dünen zurück und versuchte mir darüber klar zu werden, was ich nun für Optionen hätte (ein anderes Leben, das sagt sich so einfach); erst ein paar Wochen später kam Duncan vorbei und behandelte mich ein Wochenende lang mit ausgesuchter Höflichkeit. Auf einmal erschien er mir lächerlich mit seinen zurückgestrichenen Strähnen und der überschüssigen Haut. Ich suchte die Lächerlichkeit, das war offensichtlich, und ich sagte zu ihm, dass er wohl seine Tarnkappenhelfer vermisse; ich glaube nicht, dass er mich verstand.
Er war längst schon wieder weg, als ich von der Sache mit der fünften Frau erfuhr, und es erleichterte mich beinahe, es nahm mir die Entscheidung ab. Das Rätsel mit der Ehefrauenzählweise habe ich übrigens nie lösen können. Auf das Fahrradfahren vergaß ich. Die junge Frau, mit der er sich soeben zeigte, war jedenfalls ein aufstrebendes Talent, Nachrichtensprecherin (sofern Nachrichten das richtige Wort dafür war, egal) und nun frischgekürte Gastgeberin einer eigenen Aufklärungsshow mit dem Titel Ask Ann , ein Umstand, der dafür sorgte, dass ich mir den Namen merkte. Ann, das frische, unverbrauchte Fernsehgesicht, das trotz der Frische auf eine solide Ausbildung und eine beachtliche Liste journalistischer Erfolge zurückblicken konnte, auf der der Fall des über eine Korruptionsgeschichte gestolperten Senators nur der letzte, wenn auch spektakulärste Glanzpunkt war. Ich sah Duncans Notizen vor mir.
Ich hatte ihm damals gratuliert, als er über den Notizen brütete, daran erinnerte ich mich, sicher mit irgendeinem Hintergedanken, doch der ist mir entfallen. Zufällig sei ihnen dieser eigentlich kleine Fisch ins Netz gegangen, hatte Duncan dann erläutert,
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