Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
genug sein werde und dass ich mich jetzt vermutlich erst einmal akklimatisieren wolle. Natürlich, ich erwidere sein süffisantes Grinsen: Wir sind immerhin im 68. Stock, da wird die Luft dünner. Der Turm hat eine selbsterklärende Stockwerkshierarchie.
Er hoffe, dass es mir hier gefallen werde, sagt er noch, und dass er die Wohnung neu gestalten habe lassen, und wie ich die Wandfarbe fände. Bevor mir einfällt, was ich entgegnen könnte, lässt er mich allein mit so einem angeschnittenen abschätzigen Blick, einem hingeworfenen Lächeln und diesem Glashaus, das ich abgehen kann, jedem konvexen, jedem konkaven Schwung der transparenten Außenhülle kann ich folgen. Dumm, denke ich, wie furchtbar dumm von ihm, das gibt mir nur Gelegenheit, in Erinnerungen zu kramen, in denen ich nicht kramen will. Ich streiche über den Lederbezug der Couch: Die Couch hat er beibehalten, nicht einmal sichtbar angeschmutzt, was bei dem Cremeweiß ihrer Oberfläche umso verwunderlicher ist, doch das steht jetzt nicht zur Debatte, was ich will ist nämlich, dass er die Vergangenheitsreste hier und jetzt unter Gegenwart begräbt, und was macht Alexander? Dieses unberechenbare Element bei der Paarbildung irritiert mich, ich sehe: glänzende schwarze kleine Pupillen, in die hinein ich ihm nicht folgen kann. Die scharf gesteppten Schulterkanten, unter denen ich mir glatte jugendliche Muskelrundungen vorstelle. Das beruhigte mich, und ich dachte mir, dass genau jetzt der Moment da wäre, an dem ich NEIN sagen konnte, zumindest zum Jägermeister, auch wenn der jetzt als Haushofmeister auftrat. Doch ich unterließ es. Und Alexander: warum hätte ich nein sagen sollen zu einem Mann, der mir gefiel und dessen Lächeln eine Verbindung manifestierte, ein unterschwelliges Einverständnis über abgegessene Tische hinweg, das so vielversprechend schien. Ich dachte mir, dass ich ein gutes Geschäft gewesen sein müsste, abgelegte Frau des Chefs samt Wissen, Wohnung und Aufstiegsoption, und da war sicher noch einiges mehr mit zu einem interessanten Paket geschnürt worden. Vielleicht wollte ich das hören, dennoch: gleich ein Ehevertrag – dessen Feinheiten ich am Ende doch nicht gelesen hatte, nicht überprüft, zu welchen Regelungen ich da meine Zustimmung gegeben hatte, wenn ich es lesen würde, gingen mir heute noch die Augen über, jetzt erst recht. Die Kinder beispielsweise scheinen nicht inkludiert zu sein, zumindest vorerst. Später fragte er mich wirklich, warum ich denn? warum? was immer er hören wollte, ich weiß es nicht, denn noch bevor ich dazu kam zu antworten, zog er den Schluss: du wirst deine Gründe haben.
Ja, die hatte ich und er hatte die seinen, das war der Punkt, den ich hatte klären wollen. Später. Und es war nun tatsächlich so, dass wir einander ausprobieren konnten, in aller Ruhe, und man könnte das folgende als Erfolgsgeschichte betrachten. Also nicht von Anfang an. Der Anfang war, wie alle Anfänge, schwierig. Die Wange gegen meine: das Einvernehmen unserer Gründe. (Natürlich hat er zugestimmt, muss ich heute sagen, wo ich ihn besser kenne, er konnte gar nicht anders, Wohnung, Wissen, Nachfolgeoption.)
Wobei mir klar wird, dass Alexander die Wohnung schon früher übernommen haben muss, vor der gemeinschaftlichen fernsehtauglichen Nahrungsaufnahme mit Duncan genau genommen: die Wandfarbe kenne ich. Auch die Bilder übrigens, Bilder und Wandfarbe sind zentrale Elemente der Neugestaltung, das ist offensichtlich, der Inbesitznahme abgewohnten Terrains. Ich bin mir ziemlich sicher, zumindest eines der Bilder in der Frühstücksinszenierung gesehen zu haben, epigonal übrigens, meiner Ansicht nach, doch die behalte ich für mich, ein matter Abklatsch: der Kopf des Königs auf einer Klinge serviert wie die obere Hälfte eines Frühstückseis?
Das Wohnrecht muss Alexander also vor der Frühstücksszene in aller Form eingeräumt worden sein, und zu diesem Zeitpunkt war von Scheidung und Mitgift noch gar keine Rede, woraus ich schließen kann, dass Duncan ein und dieselbe Sache doppelt verkauft hat, die Wohnung? mich? Hat Duncan nicht gesagt, die Wohnung bekäme ich als Teil meiner Abfindung, als Mitgift, gewissermaßen, Morgengabe, der Scherz hat ihn erheitert? Väterlich gütig hat er geschmunzelt, wie könnte ich das vergessen, vor dem Kamin in dem Haus in den Dünen, und mir dabei über die Haare gestrichen. Ich glaube übrigens, dass ich sie mir so schnell wie möglich schneiden lassen werde. Weg mit dem Geringel.
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