Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
möchte ich gar nicht wissen. Jetzt noch nicht.) Ob ich was dagegen hätte, fragt er. Gegen die Gründe möglicherweise. Immerhin kenne ich meine eigenen. Gegen die Eheschließung: die Ausstiegsklauseln werden noch zu überprüfen sein, sage ich. Er lacht, wie er lacht, ich lache mit und weiß nicht recht warum, aber gemeinsam zu lachen ist jedenfalls keine schlechte Ausgangsbasis.
An diesem Abend betrank ich mich vor den Augen des Jägermeisters, der alle meine Versuche, ihn vor die Tür zu setzen, mit Gleichgültigkeit quittierte; ich fragte ihn, ob er Duncan mein Herz präsentieren solle, oder was eigentlich der Grund für sein Kommen sei. Mein Herz mit dem angewachsenen Dünenhaus, Muschelhaus, sagte ich, am Ende spuckte ich ihm ins Gesicht, und ich glaube, das war die erste Tat in diesem Zusammenhang, auf die ich unumwunden stolz sein kann, ein Schritt aus der Formlosigkeit, nein, dachte ich, vielmehr in eine formlose Haltlosigkeit, die Umformung erlaubt, so irgendwie. Jedenfalls eine klare Handlung. Er nahm es ohne erkennbare Reaktion hin, zumindest ohne eine Reaktion, die ich in meinem Zustand noch zu erkennen fähig war, und das erfüllte mich mit kurzer, aber tiefer Befriedigung. Während der anschließenden Masturbationsversuche schlief ich ein.
Der in jedem Fall formvollendete Abgesandte erschien auch am nächsten Tag, ich schlug ihm eine Wanderung durch die Dünen vor, worauf er tatsächlich einging (ganz ohne Sicherheitsleute, ich allein glücklicherweise, zumindest dachte ich das zunächst, nicht beschützenswert). Ob der Jägermeister hinter uns herschlich, war mir egal. Auf meine Annäherungsversuche reagierte er nicht in der gewünschten Weise; ich berührte beiläufig seinen Arm, lächelte strahlend, versuchte mich in unterhaltsamen Eheanekdoten und wollte nicht hören, dass die Antworten des Rechtsanwalts sich nicht nur peinlich wanden, sondern auch überraschend geistlos waren, ich stolperte und ließ mich in den Sand fallen, um ihn dazu zu nötigen, sich über mich zu beugen, was er auch tat, aber mit einem derart gelangweilten Ausdruck in seinem ansonsten leeren Gesicht, dass ich das Manöver abbrach. Ich drehte mich um, während der gepflegte Herrenduft über mir hing: immer noch kein Aufpasser zu sehen, und ohne die Androhung der Existenz eines Mitwissers wäre die ganze Sache obendrein auch noch sinnlos. Stümperhaft; Duncan würde lachen, und der Gedanke steckte mich an.
Und überhaupt: was will ich denn mit einem Anwalt? Ich muss mich doch sehr wundern. Ich kann diesen Mangel an Instinkt nur meiner damaligen Verwirrung zuschreiben, es war alles doch ein bisschen viel. Dabei weiß ich nicht einmal, was ich mir erhoffte von dem Finanzregelungsspezialisten. Dass er die ganze Sache irgendwie zu meinen Gunsten hinbog? Das glaubte ich doch wohl selber nicht. Der Anwalt, dachte ich: berufsmäßiger Angehöriger einer gierigen Kaste, und dabei so beschränkte Möglichkeiten. Also kehrten wir ins Haus zurück und besprachen ein paar vertragliche Details, das heißt, er setzte mir die Vorgaben der Gegenseite auseinander, einer der Gegenseiten, um genau zu sein, in punkto Alexander gab er vor, meine Sache vertreten zu wollen. Da stand ja auch erst ein Vorvertrag zur Disposition, wenn ich das recht deutete. Ich schwieg und lächelte das Kindermädchen an.
Als ich durchblicken ließ, dass ich eine einvernehmliche Lösung ja auch ablehnen könnte, beugte er sich vor, wieder wehte mir der Rasierwassergeruch entgegen, der durchaus zu seiner Hemdfarbe passte, und sagte, auf diese Möglichkeit sei er vorbereitet. Und Duncan lasse mir ausrichten, dass ich als Liftgirl sehr überzeugend gewesen sei. Und überhaupt gebe es Zeugen und interessantes Videomaterial. Da musste ich schon wieder lachen: das hatte in seiner Schlichtheit beinahe Stil. Was soll ich sagen, die Liftgirloption ist ausgereizt, das sagte ich bereits.
Der Turm
18
Der Turm hat mich wieder. Ein anderes Leben? Auch wenn der Turm demnächst versuchen sollte, mich abzuwerfen: so schnell wird er mich nicht los.
Jetzt wird es wirklich Zeit, den Augenblick näher zu betrachten, in dem Duncan meine Erwartungen enttäuscht hat und Alexander und mich einander überließ, einfach so, so selbstlos war er. Schließlich hatte ich auch mit Duncan noch einmal etwas zu lachen gehabt, das muss an dieser Stelle festgehalten werden. Alexander schloss die Wohnungstür, bevor ich mich umdrehen konnte, um den steifbeinigen Schritten auf dem Weg durch die
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