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Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
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Vorhalle nachzusehen, dem Rücken des ukrainisch-amerikanischen Medienmannes mit dem schottischen Namen, wie multinational vernetzt wir sind, kaum zu glauben. Ich hörte ihn sich entfernen.
    Ein Bild steht im Raum, auf meiner Seite der Tür, das Nachbild Duncans, und ich muss sagen, dass er mir als Tier besser gefallen hat. Alexander schenkt mir eines seiner schiefen Lächeln, wie bitte?, fragt er und berührt sanft meinen Ellbogen, um mich leichthändig in Richtung der Tiefe der Wohnung zu lenken, die ich doch kenne und die mir gehört, mir. Nichts, sage ich und denke doch: Mit dem Tier wusste man, woran man war, das war einfach, so ein Mensch hingegen, ein Mensch mit seinen olympischen Ansprüchen ist schwer einzuordnen und zu handhaben. Finde da erst einmal den richtigen Ton. Dort in der Vorhalle hinter der Tür, die ich wiederum hinter mir gelassen habe, wird er wieder zu dem, was er war, denke ich, und als Stier war er schöner. Bis auf die Augen, die hatten noch diese leere Tiersanftheit.
    Doch nun zu Alexander: er berührt fast formell meine Wange mit der seinen, dann steht er abwartend vor mir, frisch rasiert und gekleidet, alles an ihm riecht frisch, ist frisch, erwartungsvoll (den Blick habe ich doch vor kurzem gesehen, und zwar nicht an ihm), und ihm gefällt meine Abwesenheit nicht, mir auch nicht, doch was soll ich machen, unter dem Ausdruck freudigen Entgegenkommens bin ich abgetaucht, das bemerkt er wohl, er greift wieder vorsichtig nach meinen Ellbogen.
    Ich hänge Bildern von Meeren und Lifthallen nach und der Erinnerung an die Augen des Mannes, der Duncan und mich am Flughafen entgegengenommen hatte, um uns zum Turm zu bringen; die Augen schwammen im Rückspiegel körperlos, kontextlos, während wir durch die Stadtniederungen fuhren (ein weites Feld quadratischer Besiedelungseinheiten, gefüllt mit niedrigen Wohnhäusern, Asphaltbrachflächen, Blechruinen). Der Fahrer redete ununterbrochen und prüfte unsere Aufmerksamkeit durch regelmäßige Blickkontrollen; die Stimme klang fremd durch die Gegensprechanlage, die Duncan geöffnet hatte. Das Stadtzentrum baute sich vor uns auf wie ein schmalfüßiges scharfkantiges Hochgebirge, das ich erkennen können müsste, doch wie etwas in der eigenen Erinnerung finden wollen, dessen Abbildung man so oft gesehen hat? Ich griff nach Duncans Hand, die er mir nicht entzog, die Brücken schlugen Kurven an Friedhöfen vorbei (die Zahl der Köpfe in den Gräbern müsste diejenige der oberirdischen bei weitem übersteigen, ein vielfaches davon sein, nehmen wir das Kerngebiet: anderthalb Millionen, dann müssten auf den Friedhöfen dieser Stadt Abermillionen Tote liegen, kaum vorstellbar, dafür erscheint der umzäunte Bereich viel zu klein; das suppt durch den Untergrund).
    Der Chauffeur sprach von all den Leuten, die in dem Turm, zu dem er uns bringen würde, wohnten, wohnen und wessen bester Freund er sei und wen er in Übersee besuche (Duncan lächelte). Dann sprach er von der Stadt, ihrer Einteilung in Unterabteilungen, deren Grenzen man mit Bedacht passiert, oft nur mit Vorbehalten, besser gar nicht, er wies nach rechts: die Südseite, die wollten wir bestimmt nicht betreten, auch wenn es eigentlich nicht mehr so schlimm sei wie noch vor zehn, fünfzehn Jahren; mit besonderem Stolz wies er auf einen ökologisch-dynamischen Supermarkt hin, der sich jetzt in den Schlachthofquartieren eingenistet habe, was natürlich übertrieben war, wie ich mittlerweile weiß, in bloßer Nachbarschaft der Schlachthöfe. Was tut man nicht alles für eine gute Geschichte, sagte ich leise zu Duncan, er lachte. Erst in dem Moment, am missbilligenden Hochziehen der Augenbrauen im Rückspiegel, das auf mein Flüstern folgte, erkannte ich, dass es der Jägermeister war, der am Fahrersitz dozierte, der schon wieder, es ist nicht zu fassen. Den werde ich jetzt aber wirklich dringend loswerden müssen. Ich schickte Duncan einen halb empörten Seitenblick, er lachte tonlos und kopfschüttelnd weiter. Du solltest das nicht so ernst nehmen, sagte er und legte seine Hand wieder auf meine.
    Alexander hat das Wohnzimmer erreicht, das fast ein ganzes Turmdrittel ausfüllt, mit Dreiviertelausblick über den See, See auf drei Seiten, und erst wenn man sich vorne an den Rand der Kommandobrücke stellt und sich umdreht, sieht man die Stadt mit dem Turmvorposten, und je nach Zeitpunkt im Arbeitsplan den (gesicherten) Reinigungstrupp in der Takelage. Er räuspert sich, dann sagt er, dass später Zeit

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