Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
wüsste, dennoch sage ich: Nein. Das muss es nicht bedeuten. Du bist aus der Deckung, klar, aber das heißt nicht, dass du dich vorführen lassen musst. Das denkt er zwar, schon möglich. Du kannst handeln. Du bist am Zug, das rufe ich ihm noch nach, als er in Sportbekleidung aus dem Schlafzimmer kommend die Wohnungstür ansteuert. Allein, zirkelschließend, begreife ich, dass das die einzige Alternative ist, nämlich zu handeln, und dass es das ist, was Alexander antreibt, er ist jetzt ganz er selbst, mit allen Zweifeln, die er offen äußert, das lässt ihn weiterwachsen, das macht ihn reif und offen. Und übrigens, sage ich später, als Alexander vom Training zurückkommt, vielleicht will er dich nur provozieren. Das sähe ihm ähnlich. Alexander, glühend und besänftigt, nähert sich mir. Also, sagt er. Was denkst du?
Und als Duncan in einem lockeren Interview zum Thema neuer Möglichkeiten im pazifischen Raum (Ausgliederung von Fernsehrechten, Ende staatlicher Rundfunkmonopole etc.) – neben sich die neue junge Frau und ihre Hand in der seinen – zum Besten gibt, er investiere sein Geld gerne, und er habe schließlich dafür gearbeitet wie ein Nigger, überhören wir das fast, wenn nicht der Interviewer einhaken würde und nachfragt, was er damit sagen wolle. Ich sehe das Bild des reflexhaft lächelnden Gesichtes von Duncans Frau nur angeschnitten über Alexanders Schulter hinweg, in die ich beiße, ob vor Begeisterung oder vor Aufregung, er drückt mich an sich. Nur zaghaft, scheint mir, weicht Ann zurück und blickt hinter Duncans Kopf zur Seite, als wäre von dort Hilfe zu erwarten. Der reitet uns noch alle in den Abgrund, sagt Alexander. Wenn man ihn verstehen wolle, so könne man verstehen, was er meine, sagt Duncan, das ist an Ann gerichtet, die sich erhoben hat.
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Die nächsten Wochen bringen Kalmierungsversuche auf allen Seiten. Nur Duncan legt nach, wenn man ihn fragt (feindliche Medien setzen Duncans Äußerungen Bilder von ausgemergelten Minenarbeitern und kleine Geschichten vom Engagement seiner chinesischen Partnerfirma bei der Rohstoffgewinnung in Afrika entgegen), während Alexander die Entwicklung ruhig begutachtet, man könnte fast sagen, dass er sich zurücklehnt, nur von Zeit zu Zeit ein gewichtiges kleines Wort zur Imagekorrektur. Er ist gut, das sehe ich mit Freude.
Stuart ist der Mann fürs Grobe, das habe ich begriffen, falsch, ich muss mich korrigieren, der hat ja schließlich auch die Seiten gewechselt, oder auch nicht, wie immer man das auffassen will; auf jeden Fall gibt es einen firmeninternen Nachfolger in Sicherheitsfragen. Muss ich bei Gelegenheit überprüfen. Jedenfalls sichert Alexander Duncan seine volle Unterstützung zu. Duncan hat im Moment anderes zu tun als Alexander zu degradieren, wenn es denn wirklich das ist, worauf er aus war; ich bin mir diesbezüglich nicht ganz so sicher. Zu hoffen ist, dass die Kinder von diesem ganzen Mist nichts mitkriegen, ich werde nachfragen. Talkshows widmen sich allen Varianten des Themas Rassismus in Duncans Medienkonglomerat, und sogar ich lerne noch Namen von Pay-TV-Kanälen dazu. Ganze Youtube-Wettbewerbe mit gesampelten Zusammenschnitten von Duncans Äußerungen finden statt, ich gebe zu, dass ich sie mir ansehe.
Das hier ist immer noch der Umsatzkern, da muss sogar Duncan auf die Folgen seines Handelns achten. (Dass hinter den Kulissen die Drohungen von chinesischer Seite, man werde negative Berichterstattung über das afrikanische Engagement sicher nicht zulassen und die Partnerschaft andernfalls überdenken, gerade noch einmal abgefangen werden können: nicht auf unseren Sendern, wir haben immer noch die Lufthoheit über den Bildschirmen, das erzählt mir Alexander.) Und, ja, ich bin bereit, schriftlich in meiner Eigenschaft als Exfrau festzuhalten, dass nichts absurder wäre, als Duncan Rassismus unterstellen zu wollen; sähe man das nicht an seiner Firmenpolitik und an seinem Privatleben? Sein Privatleben: seit er eine afroamerikanische Ehefrau hat, hält er sich für unantastbar. Dann kommt die Frage nach der Lohngerechtigkeit, aber Duncan, ein tapferer Vorkämpfer für die gesunden Selektionsmechanismen des Marktes und gegen jede Art von wettbewerbsfeindlichen Tendenzen, weiß sich zu wehren. Der Aufsichtsrat steht geschlossen hinter ihm, und Duncan weist erleichtert auf diese Tatsache hin; dass er die Drohung nicht erkennt, die darin liegt und die er selbst so gerne benutzt hat, ist verwunderlich. (Dass er ansonsten
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