Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
den Aufsichtsrat gerne als einen Haufen von zahnlosen Wichtigtuern im Ausgedinge bezeichne, habe er offenbar vergessen, sagt Alexander.) Duncan werde allmählich zum Risiko, unguided missile, sagt Alexander und greift nach meiner Hand.
Tatsache ist, dass es ein Spiel war, dessen Freuden wir mit niemandem teilten. Ein Gedankenspiel. Er fängt zum Beispiel mit einem simplen: Was wäre? an, und ich stelle mich blöd und frage: Was? Ich lasse das Wort am Gaumen kreisen wie einen Schluck Wein, von dem man denkt, dass er gut ist und man die Aromen sorgfältig trennen und benennen können sollte. Dann gibt ein Wort das andere, wir kennen uns mittlerweile schon besser und lachen über dieselben Dinge, er nennt mich gierig, ich ihn hemmungslos, und der Nachklang seines Lachens wärmt mich, und ich sage: Wie? Gute Frage, sagt er und wir diskutieren die Kamerasituation und das Werkzeug.
Weniger wichtig die Sachargumente, die für einen solchen Schritt sprachen, und fast zu banal, um sich lange mit ihnen aufzuhalten: Wir haben ihn Leute beseitigen sehen, Alexander hat das sogar aus nächster Nähe gesehen, nicht nur gesehen, um genau zu sein. Alexander handelt. Und das ist schön, das gibt dem ganzen Gedankenexperiment so einen realen Touch, den ich mag. (Ich habe mich entwickelt, sage ich heute.) Was Duncan betrifft: Wir kennen die Begleitmusik des Vertrauensentzuges. Und wir können die Zeichen deuten. Aber um die Wahrheit zu sagen, das war nicht der Kern der Sache, der Kern der Sache war die Frage, was man tun müsste, um so weit zu gehen, und ob man nicht mit der plumpsten aller Varianten am weitesten käme. Das war der Kern der Sache und unseres Zusammenseins, die Planung arbeitete in den Nächten und elektrisierte unsere Handflächen, die wir aneinander legten, und wieder hörte ich sein Lachen, Alexanders Obertonlachen, wenn ich ihm ein besonders interessantes Detail ins Ohr flüsterte. (Was machen wir mit den Handschuhen?) Und schließlich konnte keiner von uns sicher sein, dass der andere nicht einen kleinen Verrat begehen, Duncan einen Wink geben und so die eigene Position auf Kosten des anderen verbessern würde. Wobei man in meinem Fall fragen müsste: wo ist der Gewinn? In Alexanders Fall wäre der Schachzug schon klüger gewesen, sofern Duncan ihm überhaupt Glauben geschenkt hätte. Von einer von mir ausgehenden Gefahr wäre er nur schwer zu überzeugen gewesen, das ärgert mich wohl am meisten. Er nimmt mich als Gegnerin nicht ernst, das ist sein größter Fehler. Vielleicht reden wir sogar über wechselseitigen Verrat, uns ist schließlich allerhand zuzutrauen, darin sind wir uns einig und das erhöhte den Reiz, zumindest gab es unserem Zusammensein – nie mehr allein – eine Würze, die wir suchten und zunehmend brauchten. Aber so hätte ich das damals noch nicht formuliert, auch wenn ich durchaus hellsichtig bin.
Was sagen die Analysten? Alexander bespricht die Situation mit dem Analysten seines Vertrauens, und der versichert ihm, dass die gewählte Strategie die richtige sei: Führungsstärke zeigen, abstoßen, bevor Zerfallstendenzen einsetzen. Was das asiatische Engagement betrifft: unbedingt mit der Herabstufung chinesischer Staatsanleihen drohen. Ein Selbstläufer. Den Teil könne er übernehmen. Die Sprache der Ratingagenturen ist international verständlich. Duncan beginnt, sich zu wiederholen. Auch er ist umtriebig, redet, warum kann ihn niemand am Reden hindern? tut dies und das zur Imagekorrektur, richtet ein Stipendium für Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen ein, soll heißen, für farbige Jugendliche. Wird nicht so genannt, doch alle verstehen die Botschaft, und die reitet ihn nur noch tiefer hinein. Seine Frau allerdings, die junge talentierte Journalistin mit der eleganten Kopfform, ist von der Bildfläche verschwunden: Ann antwortet nicht mehr.
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Alexander und ich sind mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass die Stadt kein geeignetes Umfeld ist für eine gesunde kindliche Entwicklung, und Duncan hatte zugestimmt. Mach dir keine Sorgen, sagt Alexander. Doch natürlich weiß ich, dass sie das längst ohne mich abgeklärt und wasserdicht geregelt haben (Duncan hat den Blick auch gesehen), wie das ihre Art ist. Jeder Punkt im Detail mit der gegnerischen Rechtsanwaltskanzlei ausgehandelt. Ein ganzes Leben in rechtstechnisch abgesicherte Form gegossen. Ich musste nur noch unterschreiben, keine Ahnung, was ich da alles unterschrieben habe. Das ist geregelt.
Duncan ist
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