Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
(Duncan arbeitet ernsthaft an der Imagepflege.) Da habe er sich wieder wie zu Hause gefühlt. Zuhause liefe es allerdings nicht so gut, sagt er. Ihr Ehrgeiz sei schon am Erschlaffen, und da verstehe ich, dass er von seiner aktuellen Frau spricht. Nicht so wie bei dir, sagt er, sieht mir in die Augen und festigt seinen Griff. Dein Ehrgeiz ist grenzenlos, sagt er, ich schweige, die Zunge schwillt mir im Mund und hindert mich am Sprechen. Das Übergriffige an ihm ist neu (neuerdings auf Droge?). Alexander hat die richtige Musik gefunden, er kommt auf uns zu, die Karaffe in der Hand, und Duncan zieht nachlässig seine Hand zurück. Und da begreife ich, dass Duncan denkt, er könne nach wie vor über meine Körperöffnungen verfügen und Alexander werde es hinnehmen, und was ich davon halten könnte, ist ihm ohnehin egal.
In dem Moment, in dem Duncan in das Licht des Vorraums eintaucht, wird Alexander von einer Panikwoge überschwemmt, deren Ausläufer ich erkennen kann, einen Schritt hinter ihm, als er nach den Sicherheitsleuten fragt: der Hals rotfleckig, die Farbspiele synchronisiert, so scheint mir, mit den Kontraktionen meines Zwerchfells: mir wird schlecht, während Duncan ganz ohne Gefolge eintritt, wo bleibt das, bei den Liften? Alexanders Sorge ist umsonst, diese plötzliche Angst, Gewissheit, etwas nicht bedacht zu haben, überflüssig, Duncan hat volles Vertrauen zu diesem Haus, betritt ganz unbekümmert meine, seine ehemalige Wohnung, die kaum jemals gemeinsame Sache war. Ich murmle etwas Entschuldigendes, sie hören gar nicht hin, sind vollauf damit beschäftigt, einander einvernehmlich zuzunicken. Wir sind moderne Menschen. Was sie sagen, höre ich nicht, in meinen Ohren rauscht es, während ich versuche, mein Zimmer zu erreichen, ehe ich umfalle, doch das gelingt mir nicht, mein Kopf schlägt dumpf auf, und das bringt mich wieder zu mir. Ich greife nach der angeschlagenen Stelle und sehe Blut; der Haushofmeister schon neben mir, mit dem vertrauten verächtlichen Blick konstatiert er: you drive me nuts, aber das berührt mich schon nicht mehr. Er ist verrückt, das weiß ich mittlerweile, doch das wird ihm auch nichts helfen, kein Plädieren auf Unzurechnungsfähigkeit werde ich zulassen. Ich lecke das Blut von meinen Fingern und lächle ihn gekonnt an: sowieso, sage ich in meiner Muttersprache, Vatersprache: Sowieso. Er dreht sich um und macht sich auf in Richtung Küche, wo seine Kommandos sicherlich schon ungeduldig erwartet werden. Ich höre noch sein unnachahmliches Zungenschnalzen. (Ich habe mich schon daran versucht, in der Stille des Schlafzimmers, ohne Erfolg.) Das Blut wird die Haare am Hinterkopf verkleben, wenn ich nicht schnell etwas unternehme. Wie sieht denn das aus.
Die Umrisse der beiden Männer stehen sich immer noch ungerührt gegenüber: anzugsbewehrt, dieselbe Qualitätsklasse (Senator, drunter machst du’s nicht, wie Duncan gesagt hätte), die Haltung spiegelgleich, die Schuhe ununterscheidbar. These: Antithese, könnte man sagen, doch das stimmt nicht.
Vielleicht überlegt sich Duncan auch, ob man mich teilen könnte. Dass man gelegentlich heikle Geschäftsabschlüsse im Bordell besiegelt und dann mit Sicherheit über die Details schweigt, zumindest allen gegenüber, die nicht dabei waren, davon gehe ich aus. Das ist schließlich der Sinn kollektiver Entblößungen, dass man einander in der Hand hat. Und jetzt vielleicht ein Dreier mit ähnlichem Ergebnis? Du denkst zu kompliziert, denke ich, während ich Duncan von der Seite betrachte, die erschlaffende Haut an der Kinnkante: Vielleicht denkt er gar nichts.
Neues Leben, dass ich nicht lache. Ich bin das Tauschobjekt. Wie kann ich diese offenkundige Tatsache derart verleugnen. Ich bin es, die hin und her getauscht wurde wie eine strahlendweiße Milchkuh. Dabei habe ich es nicht so mit Milch. Ich weiß genau, dass Duncan eines Tages nicht lange nach unserer Standeseintragung gewünscht hat, er hätte sich nie auf mich eingelassen. Und auf einen solchen Vertrag. Der Zeitpunkt kommt doch immer früher oder später, an dem man sich sagt, dass man einen gravierenden Fehler gemacht hat. Aber das hilft dann auch nichts mehr, deshalb bin ich der Ansicht, man sollte solchen müßigen Überlegungen, die höchstens zu masochistischen Exzessen führen, keinen Raum geben. Das habe ich ihm auch klar gesagt, eines Nachts im Haus am Meer: ich bin für die Reuelosigkeit. Er hat das natürlich auf das pferdegesichtige Mädchen bezogen, das ihn zu
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