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Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
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wundere ich mich über die Konsequenz, mit der er die frühere Medienabstinenz hinter sich lässt; Alexander sagt, das müsse die Altersmilde sein oder die Liebe. Alexander spricht nämlich mit mir, und wüsste ich es nicht schon längst von ihm, so wäre das mit der Weltmeisterschaft im Fliegenfischen ein endgültiger Beweis für den Erfolg der jüngsten Unternehmung (die Weltmeisterschaft soll nach China verlegt werden, er habe wunderbare Bedingungen vorgefunden, unverfälschte Natur und Investitionsmöglichkeiten, schwärmt Duncan, die den Aufschwung einer ganzen Region mit sich bringen werde). Mit solchen Geschenken belohnt er sich, das weiß ich, in übermütiger Siegeslaune neigt Duncan zu Spielereien, und das ist eigentlich schon fast wieder ein netter Zug an ihm, das sage ich zu Alexander, der lacht. Den Kindern geht es gut. Duncan gibt Autogramme. Zu seiner Lieblingsjournalistin, die jetzt ihren eigenen Mann interviewt, sagt er: wer alt genug sei zum Plündern, sei alt genug, um erschossen zu werden. (Der jüngste Militäreinsatz hat die Plünderungen rasch beendet, die Bilder sind eindrucksvoll: unterprivilegierte Jugendliche auf beiden Seiten, die Plünderer vielleicht ein wenig jünger und schwärzer als die Uniformierten.)
    Duncan hat kein Gefühl für diese Stadt. Und ich habe gedacht, du wüsstest etwas über ihn, sagt Alexander, und das klingt für sich genommen schon wie ein Vorwurf. Er lehnt die Stirn gegen die Scheibe, als ob er der Gebäudekante mit dem Blick nach unten folgen wollte, dann hebt er den Kopf und öffnet den Krawattenknoten, mit dieser hingeworfenen selbstvergessenen Geste, die Erschöpfung ausdrückt und vollendete Arbeit. Ich will mich verteidigen und überlege, was ich zu Duncans Persönlichkeit so sagen könnte – unauffällig, könnte ich sagen, fast schon spießig, keine ausgefallenen sexuellen Vorlieben, und selbst wenn, alles im ehelichen Rahmen oder zumindest im diskret außerehelichen, soweit mir bekannt ist, und was mit der derzeitigen Frau während unserer Ehe schon war, kann ich nur vermuten, nichts Handfestes, keine Beweise für ausschlachtbare Doppelgleisigkeiten, viel zu umsichtig. Und sonst ist mir auch nichts aufgefallen, habe nicht in seinen Unterlagen gewühlt (außer im Fall der Selbstmordgeschichte, und in der steckt Alexander tiefer drin, als uns lieb sein kann, zumindest unter dem Aspekt der Verwertbarkeit), blindwütig habe ich Duncan vertraut und überhaupt kein Interesse daran gehabt, ihm auf die Schliche zu kommen. Jetzt stehe ich mit leeren Händen da, die ich nur sinken lassen kann, herabfallen lassen von den hängenden Schultern, ich habe nichts. Ich habe die ganze Zeit nicht genutzt, die ich doch nutzen hätte können, wenn ich ein wenig vorausschauend gewesen wäre. Ich sehe, dass Alexander recht hätte, wenn er mir mein Versagen vorhielte, doch er tut nichts dergleichen, er lächelt nur und sagt, nunja, was solls.
    Es tut mir leid, sage ich. Ich weiß doch, dass Aggressionsbereitschaft das Überleben sichern kann. Wenn sie dazu führt, dass man im richtigen Moment zuschlägt. Doch dazu braucht es das geeignete Instrument, und das kann ich nicht liefern. Alexander hat seine Handlungsbereitschaft bewiesen, an Entschlossenheit mangelt es nicht, das habe ich gesehen und das gefällt mir.
    Ich möchte Terrain gutmachen, und dann mache ich einen Fehler: Ich zeige ihm die Kommentare, die ich gefunden habe und die die Stimmung heben könnten, da besprechen sie Alexanders Verhandlungsgeschick anhand verschiedener Beispiele. Einer versteigt sich gar soweit zu behaupten, wenn überhaupt jemand, dann hätte Alexander das Zeug dazu, sich in Stellung gebracht usw., wofür wird nicht gesagt, ist auch nicht nötig, man versteht auch so, worum es geht. Königsmaterial, sage ich und lächle noch, dann sehe ich Alexanders Gesicht, das zuzieht, sich verschließt. Zeig her, sagt er und dreht den Laptop zu sich, mit einer eleganten Geste, die seiner Anspannung nicht entspricht, doch ist er offenbar so angetan von der flüssigen Bewegung, dass er nicht anders kann. Mir treten Tränen in die Augen, vor Rührung, und ich versuche, das vor ihm zu verbergen, was nicht weiter schwierig ist, denn er liest schweigend und sichtlich zornig.
    Ist doch nur ein Artikel, sage ich. Du kapierst auch gar nichts, fährt er mich an. So ist das also. Die Stimme wird heiser: das sicherste Mittel, um jemanden vom Rennen auszuschließen: ihn zu früh zu nennen. Ja, als ob ich das nicht

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