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Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
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Moment hatte ich andere Interessen und kam zu dem Schluss, dass ich mich so schnell wie möglich entfernen müsste, verfügbare Frauen hatte Duncan mit Sicherheit in ausreichender Menge zur Auswahl, ich musste eine klare, identifizierbare und aussagekräftige Handlung setzen. Ich hob also sacht seinen Kopf, der aus der Nähe besehen so alt nicht war, die Haarfarbe täuschte, eine strahlend weiße Farbe, die so uniform war, dass sie künstlich wirkte, und flüsterte ihm ins Ohr, dass ich ihm danke, er wunderbar gewesen sei und ich jetzt leider gehen müsse.

Das Haus
3
    In das erste Stadium, wie soll man sagen, bin ich so reingerutscht. Ich würde mir gerne eine dramatische Geschichte ausdenken, irgendeine Zwangslage, in der ich steckte und die mein Vorgehen rechtfertigen könnte. Tatsache ist, dass ich mich gar nicht so schlecht eingerichtet hatte in meinem Leben, ebenso, dass ich zielgerichtet an Mr. Duncan herangegangen bin. Das Manöver hatte nämlich Wirkung gezeigt, kurze Zeit später rief er wieder an und lud mich zum Essen ein oder irgendetwas in der Art, was man halt so macht.
    Duncan, den ich schon damals nur Duncan nannte, erklärte mir die Grundzüge seines Werdegangs über einem vollen Teller, an das erinnere ich mich mit Bestimmtheit; als ich Genaueres über die verschiedenen Fernsehsender und sonstigen Medien wissen wollte, die zu seinem Firmenkonglomerat gehörten, lachte er; über die Konzernstruktur, sagte er, werde ich mir keine Gedanken machen wollen, statt dessen schilderte er in der vertrauensbildenden Art eines Fehlereingeständnisses, dass er den Firmenhauptsitz aus reiner Sentimentalität in Chicago belassen habe, er grinste verschämt, als käme er aus einer Familie von Schlachthofarbeitern. Er küsste meine Fingerspitzen, und mir begann die Herausforderung zu gefallen.
    Dabei würde man mir diese Zielgerichtetheit gar nicht ansehen. Ich bin auch keine Frau, deren Schönheit sich auf den ersten Blick erschließt, doch weiß ich, dass ich auf die meisten Männer eine ziemlich unmittelbare Wirkung ausübe. Es ist einfach so, dass man mit Zeit und Vergänglichkeit haushalten muss. Und wenn ich Notwendigkeiten erkenne, dann handle ich danach. Das sah er sofort, denke ich, und das gefiel ihm. Er war auch nicht der Draufgänger, für den ich ihn hätte halten können, nur einmal, als er mir schilderte, dass sein Büro im Wallstreetableger über einen eigenen Aufzug samt Nebeneingang verfüge, grinste er anzüglich, besann sich aber sofort, sonst hätte ich die aufgeblasenen Froschbacken bemerken müssen, die er dabei machte, das sei sicherer, nur zwei, drei Sekunden in Kontakt mit der Außenwelt. Ansonsten verhielt er sich so, als hätte ich ihn eingeschüchtert. Als hätte ihn eine frühzeitige Anstrengung verausgabt. Er hoffe, sagte er, dass er mir auch diese Aussicht einmal zeigen könne, der Blick auf den Finanzmarktdistrikt sei beeindruckend, selbst wenn das Büro sich nur im 42. Stock befinde.
    Vielleicht nicht so spektakulär wie die Sicht aus dem Turm, setzte er nach. Doch sich zu vergegenwärtigen, dass sich die Finanzleute darin für die Herren der Welt hielten, sei doch immer wieder ein Grund zur heimlichen Erheiterung; dabei waren wir es, er legte bescheiden die Hand aufs Revers, die ihnen den gesetzlichen Rahmen für ihre Geschäfte verschafft haben. Interpretation und Verbreitung sind der springende Punkt, merk dir das, sagte er. Unser Hoheitsgebiet: Deutung und Verkündigung der Frohbotschaft. Ein Hochamt, genau betrachtet.
    Ohne uns hätten sie das nie geschafft, wenigstens nicht so schnell, stellte er fest. Mehr Geld bliebe bei den Familien, haben wir gesagt, sagte Duncan, bei den kleinen Betrieben, den ehrlich arbeitenden Menschen. Er lachte, ich sah ihm in die Augen, aus seiner Haltung sprach offener Stolz über den gelungenen Streich, und ich fragte mich, ob er diese Lesart am Ende selbst zu glauben begonnen hatte. Er muss meinen Zweifel gesehen haben: aber diese Art von Humor verstünde ich vielleicht nicht? Doch, doch, beeilte ich mich zu erwidern. Hielt er mich für blöd? Möglicherweise gar kein Schaden, dachte etwas in mir, etwas anderes wollte allerdings ernst genommen werden, so ganz ohne Selbstbestätigung geht es ja doch nicht, so sagte ich: Deutungshoheit. Er nickte nachdenklich und betrachtete mein Gesicht.
    Bald darauf ließ er sich zu so etwas wie einem Eheversprechen hinreißen. Das muss während einer der Unruhen gewesen sein, die ihm den Aufenthalt im Turm

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