Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
umfasst mich und Alexander ab einem bestimmten Zeitpunkt: der Übergabe an der Wohnungstür – sorgten dafür, dass der Schuss nach hinten losging. Aber da waren wir beide schon ein wenig besser aufeinander eingespielt.
Zurück zur Aufzugsauffahrt: die Übergabe an der Wohnungstür steht noch bevor, und ich will dort nicht hin. Ich habe nicht die geringste Lust, mich daran zu erinnern. Ich sehe die cremeweiße Couch vor mir, auf der wir uns gepflegt niederlassen werden, alle drei, Duncan und Alexander werden mich in die Mitte nehmen, einrahmen, so stelle ich mir das vor, die Form der Couch greift in subtiler Weise den Schwung der Außenhaut des Gebäudes auf. Ihre Größe kann es mit den Dimensionen der Liftvorhalle aufnehmen.
Als ich mich zum ersten Mal neben Duncan an die Fensterfront stellte, hinter der unter einem grauen Himmel ein grauer See lag, fragte er mich, ob mir die Aussicht gefiele (das Dienstmädchen, das ihm entgegengetreten war, scheuchte er weg mit dem Auftrag, jemandem Bescheid zu geben, dem Koch vielleicht). Ich bestätigte, dass sie mir gefiele, noch ganz erfüllt von der Ungeheuerlichkeit meiner Handreichung, Mundreichung. Ich danke dir, sagte er später im Sitzgruppenbereich, mit diesem nachlässigen Nuscheln, das wohl eine höhere Ausbildung in englischem Umfeld suggerieren sollte, als er mir ein Glas in die Hand drückte und sich neben mich fallen ließ. Das Leder schmatzte unter ihm.
Mundschenk, dachte ich und lachte und erwiderte Duncans irritierten Blick, entschuldigte mich und musste doch weiterlachen. Du bist seltsam, sagte er. Ich weiß, sagte ich, während mein Brustkorb sich immer noch spastisch hob und senkte. Er legte den Kopf auf meinen Schoß und schloss die Augen, als ob er einen langen Weg hinter sich hätte, und ich begann, mit dem kurzen Haar der Nackenpartie zu spielen, das sich den Fingerkuppen struppig entgegenstellte, bedeutete dem Dienstmädchen, das im Hintergrund auftauchte, dass er schliefe, und winkte sie weg, wobei ich sicherlich seine Geste von vorhin nachahmte. Dabei ist es ja nicht so, dass mir solche Gesten fremd wären. Ich bin gut ausgebildet. Nur dass das wenig zählt, wenn man überstürzt den Standort wechselt. Doch darüber kann ich gerade nicht nachdenken. (Wenn das Netzwerk reißt, in das man sich sorgfältig eingearbeitet hat, weil rundherum nichts als Fehlstellen sind, die sich aus dem Staub machen.) Der Nebel ließ die Scheibe spiegeln, hinter der zwei Gestalten in greller Regenkleidung auftauchten, die das Glas mit ihren Stangen in zügigen Bewegungen abzogen, die Unterleiber fest verankert in einem schmalen Korb, der mich an die Passagierkabine eines Zeppelins denken ließ, während ich still dasaß und Duncans Kopf behütete.
Der Putztrupp absolvierte seine wöchentliche Tour, wie ich mittlerweile weiß, sehr gut weiß, nur in den wenigen lichtlosen Räumen im Wohnungskern hat man ihn nicht im Blick. Standortunabhängig lässt sich der Aufbau der gegenläufigen Wischmuster beobachten, was gut ist, denn man weiß ja nicht, was man mit all dem Raum tun soll. Die mäandrierenden pelzigen Endstücke, mit denen das Glas gesäubert wird, treffen bei jeder zweiten Kehre in der Mitte der Scheibe gerade nicht aufeinander, eines lässt dem anderen elegant die Vorfahrt, sie geraten nur selten aus dem Takt. Auftretende Anomalien werden von den Reinigungskräften im allgemeinen auf der Stelle korrigiert, es sind immer zwei, sie existieren nur paarweise und ununterscheidbar, man kann ihnen dabei zusehen, wie sie Bahn um Bahn vorbeiziehen, von unten nach oben, von oben nach unten seitlich versetzt um die Breite des beinahe selbstfahrenden Arbeitsbehälters (und das dafür erforderliche Wendemanöver wird knapp über der Oberkante meines Sichtfeldes ausgeführt, ich habe nie herausgefunden, wie es genau funktioniert).
Ich überlegte, wie ich vorzugehen hätte, um Duncan zu beeindrucken (der Ehrgeiz hebt den Kopf und übt sich, ein wenig spielerisch zwar noch, doch unverkennbar in freudiger Erwartung zukünftiger Errungenschaften). Währenddessen begann es in meinen seitlich eingeschlagenen Beinen bereits zu kribbeln und die zunehmende Dunkelheit ließ vergessen, dass vor den Fenstern jemand war. Die Außenhülle würde frisch glänzen in der Morgensonne, wenn man sich die Mühe machte, darauf zu achten, doch dazu hätte man vom See her kommen, sich aus größerer Entfernung annähern müssen, um das Glasgehäuse in seiner vollen Schönheit zu würdigen. Im
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